Das Friedenslied kehrte zurück
Der Gemischte Chor Pankow begeht mit Jubiläumskonzerten sein 60. Jubiläum
Wer zu spät kommt, zieht an einer Wasserflasche. Eine lange Schnur verbindet sie mit einer Klingel im 4. Stock der Elisabeth-Shaw-Grundschule an der Grunowstraße in Pankow. Dort probt dienstags der Gemischte Chor Pankow. Derzeit üben die Freizeit-Sänger noch intensiver, beginnen schon um 19 Uhr. Denn die bevorstehenden Auftritte sind für die 63 Musikfreunde etwas Besonderes: Es sind Jubiläumskonzerte zum 60-jährigen Bestehen des Chores.
Begonnen hatten 43 sangeslustige Männer und Frauen 1946 unter dem Namen »Gemischter Chor Buch«. Mitte der 60er Jahre wählte der Chor das damalige Kreiskulturhaus Pankow als neues Probendomizil und erhielt vom Bezirk auch materielle Unterstützung. Fortan hieß der Gesangsverein »Gemischter Chor des Kreiskulturhauses Erich Weinert Berlin-Pankow«.
In dieser Zeit übernahm der in der Lehrerausbildung tätige Musikerzieher Friedrich Czaja den Taktstock. Sein Ehrgeiz verband sich mit dem Elan vieler Mitglieder. Beim Bezirks-Leistungsvergleich der Chöre erhielten die Pankower das Prädikat »Mittelstufe - Gut«.
»Da wollte ich auf keinen Fall bleiben«, erinnert sich der inzwischen 73-jährige Chorleiter. »Es galt daher von Anfang an, an den Stimmen zu arbeiten und das musikalische Niveau zu heben. Wer nur kam, um ein Singerchen oder Schwätzchen zu machen, fühlte sich überfordert und blieb bald weg.« Der Erfolg der Getreuen wuchs dagegen.
Das »Ausgezeichnete Volkskunstkollektiv der DDR« (1975) erreichte 1977 die höchste Laien-Einstufung »Oberstufe - Sehr gut« und verteidigte die Bewertung bei jedem Leistungsvergleich bis zum Ende der DDR. Vereinsvorsitzende Angela Beyer-Wringe bedauert, dass es diese Wettbewerbe nicht mehr gibt: »Die vom Sängerbund organisierten Treffen sind ein nettes Beisammensein, aber es geht dabei nicht um einen Leistungsanspruch. Die vom Musikbeirat des Sängerbundes veranstalteten Wettbewerbe geben dagegen ein Repertoire vor, das wir nicht haben und wofür wir uns verbiegen müssten.«
Die Stärke des 1991 in »Gemischter Chor Pankow« umbenannten Vereins ist die kleine Form. Volkslieder stehen insbesondere im Frühjahr auf dem Programm. Aber auch Werke alter und neuer Meister gehören zum 120 Lieder umfassenden Repertoire.
Mehrere Male sangen sie zu Geburtstagen des Komponisten Kurt Schwaen. Zwölf Lieder und drei Chorsätze des Mahlsdorfer Komponisten haben sie einstudiert. Bei Kontakten zu lettischen und polnischen Chören wurden auch Weisen der östlichen Nachbarn übernommen.
Politisch gefärbte Lieder jedoch wollten die meisten Mitglieder seit dem Wendejahr 1990 nicht mehr singen. Erst später besannen sich die Choristen auf den Wert einiger Brecht-Weill-Songs. Auch »Der einfache Frieden« von Gisela Steineckert und Klaus Schneider kam durch die Entwicklungen seit dem 11. September 2001 wieder ins Programm.
»Das ist ein Gänsehaut-Lied und wird immer wieder gewünscht«, sagt Frau Beyer-Wringe. Die 38-jährige Hauptschullehrerin gehört zu den zahlreichen Chormitgliedern, die in sozialen oder pädagogischen Berufen tätig sind. Kein Wunder, dass es einige Zuspätkommende gib...
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