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Rechte im Aufwind

NPD empfiehlt in Hamburg Burschenschaft Germania

  • Lesedauer: 5 Min.

Von Volker Stahl

Studentische Verbindungen sind ein gesellschaftliches Biotop, zu dem Frauen, Ausländern oder Kriegsdienstverweigerern der Eintritt meist verwehrt wird. Seit der Wende machen die von der Studentenbewegung zurückgedrängten Bur sehen wieder Boden gut und nehmen mit einigem Erfolg an Wahlen zum Studentenparlament teil.

Rechtsextremistische Gruppierungen wie die 1919 gegründete Germania nutzen den Campus heute als Forum. Germania-Plakate an Uni-Gebäuden - vor anderthalb Jahrzehnten undenkbar. «Die Korporationen befinden sich zur Zeit deutlich im Aufwind. Der Widerstand an den Unis wird weniger», lautet die aktuelle Bestandsaufnahme von Felix Krebs.

Der 36-Jährige muss es wissen. Er ist Ko-Autor des Buches «...und er muss deutsch sein...», eine Untersuchung über die «Geschichte und Gegenwart der studentischen Verbindungen in Hamburg». Hierin beschäftigt sich Krebs besonders mit den Aktivitäten der rechten Germania, der Hansea und der Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock. «Im Spektrum der Hamburger Burschenschaften gehört die Hansea-Alemannia zum äußersten rechten Flügel. In deren Räumen traf sich in den 90er Jahren die Junge Landsmannschaft Ostpreußen», erläutert Krebs, der die Burschenschaft in völkisch-ger manischer Tradition sieht.

So warb die Hansea für eine «Feier zur Sonnenwende» am «Brachmond» genannten 21. Juni mit einem Plakat, dessen Symbolik stark an das mystische Kultur Verständnis der Nazis erinnerte. Zum Bildungsprogramm der national-konservativ gesinnten Füxe, Burschen und Chargier ten gehören Vorträge des Neue-Rechte- Theoretikers Karlheinz Weißmann über «historische Betrachtungen des Nationalsozialismus». Andere Referate haben Hitlers Kronjurist, Carl Schmitt, zum Thema. Die Hansea ist Mitglied in der Deutschen Burschenschaft (DB), die nach Einschätzung von Krebs von einem «völkischen Grundverständnis» geprägt ist. «Mitglied kann laut Satzung nur werden, wer deutsch ist. Eingebürgerte Türken mit deutschem Pass gehören nicht dazu.»

Auch Michael Schaaf, Vorsitzender der Juso-Hochschulgruppe in Hamburg hat festgestellt, dass die «rechten Burschenschaften in der Hansestadt frecher als früher auftreten.» Die Verbindungen würben massiv im Erstsemester-Info, besonders elitäre Zusammenschlüsse wie Wingolf und Irminsul hätten deutlich mehr Zulauf, so der Student der Geschichte der Natur Wissenschaften. Irminsul trete mit einem elitären Habitus auf und mache gegen «alles Pöbelhafte» mobil und wird nach den Recherchen der Jusos von CDU^Mitglied Sebastian Greve, dem 25-jährigen Enkel des Hamburger Baulöwen, Multimillionärs und großzügigen Spenders der Uni-Flügelbauten, Helmut Greve, unter stützt. Schaaf beschreibt den Jura-Studenten als graue Eminenz: «Der Junior hält sich immer fein im Hintergrund.»

Studenten, die sich für die «ehemaligen deutschen Schutzgebiete» interessieren, sind bei der 1959 in Hamburg wiedergegründeten Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock richtig. Die freundschaftlich den Rechtsauslegern Germania und Askania zugetane Verbindung gehört zum «Coburger Convent der Lands- und Tur nerschaften» (CC), der nach der DB der größte farbentragende und schlagende Dachverband ist. Sein Wahlspruch: «Ehre-Freiheit-Freundschaft-Vaterland». Alte Herren erwähnen bei passender Gelegenheit den «Opfergang der 6. Armee» unter Hitlers Feldmarschall Paulus und loben die Vorbildfunktion der deutschen Soldaten im Angriffskrieg gegen die Sowjetunion als Symbol für den «ethischen Wert ihrer beispiellosen Hingabe und Opferbereitschaft». Neben dem völkischen Nationenverständnis und der Verherrlichung «deutschen Soldatentums» im Zweiten Weltkrieg zählt Krebs weitere Merkmale auf, die rechtsextremistische Korporationen von eher harmlosen wie der von Mensur und Coleurverbot geprägten katholischen Albingia unterscheiden: «Vorsichtig, wenn Ideologen der Konservativen Revolution wie Mohler, Jünger und Schmitt zitiert werden», warnt Krebs.

Diese Herren werden von der Germania favorisiert, über die das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz in einem internen Bericht 1993 schrieb: «Aus ihrer Ablehnung der Demokratie und ihrer Befürwortung des Führerprinzips machen viele Germanen kein Hehl.» Diese Grundhaltung ist den führenden Köpfen der NPD-Hochschulorganisation nicht verborgen geblieben. Hamburger Studenten, die beim Nationaldemokratischen Hochschulbund Informationsmaterial anfordern, werden auf die Germania ver wiesen. «Die Germania versteht sich als Speerspitze der Rechten an der Uni. Im Internet haben sie eine Großoffensive gegen die so genannte Verunglimpfung von allem Rechten gestartet», berichtet Juso Schaaf. Seit einigen Jahren sei die Bur schenschaft auch wieder auf dem Campus präsent. «Die Germania begeht am 3. Oktober den Tag der kleinst-deutschen Einheit - in den Grenzen von 1937 hinter vorgehaltener Hand schon mal in den von 1942», sagt Bernd Bartels, Verfasser eines Readers über die Hamburger Burschenschaften zu den Aktivitäten der im «Hamburger Waffenring» organisierten schlagenden Verbindung.

Zum Personal der rechtslastigen Ger manen gehört beispielsweise der Politak tivist Heiko Pätzmann, ehemals Vizechef der Hamburger Republikaner. Dessen einstiger Parteigenosse, Rolf Leppert, hatte im Haus der Burschenschaft seine Postadresse. Ebenso wohnte dort Andre Goertz, früher Vorsitzender der inzwischen verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und heute Betreiber des «Nationalen Infotelefons.»

Die Liste der von der Germania geladenen Referenten liest sich wie ein Stelldichein der rechten Elite: Stefan Ulbrich (Ex Wiking-Jugend und ehemaliger Mitar beiter der Jungen Freiheit), Manfred Rouhs (Herausgeber von «Europa Vorn» und einst Mitglied der «Deutschen Liga für Volk und Heimat») und Robert Steuckers, der über gute Beziehungen zum «Vlaams Blök» verfügt.

Trotz der Verbindungen in das rechtsextreme Lager taucht die Korporation Germania im Hamburger Verfassungsschutzbericht offiziell bis heute nicht auf. Dort ist lediglich zu lesen, dass die Kräfte mit starker Affinität zum rechten Lager nach der deutschen Wiedervereinigung an Gewicht gewonnen hätten. Und weiter «Dabei vermischen sich bei einigen Bur schenschaften rechtsextremistisches Gedankengut mit studentischer Brauchtumspflege und burschenschaftlichen Idealen zu einer insgesamt nationalistisch orientierten Gemeinschaft.» Derartige Tendenzen seien auch bei einzelnen Hamburger Burschenschaften festzustellen. Hamburgs Verfassungsschutzpräsident, Reinhard Wagner, erklärt, dass es «besonders schwierig» sei, über rechte Umtriebe in Burschenschaften verlässliche Informationen zu bekommen. Krebs wird deutlicher- Für ihn ist die Germania eine «neofaschistische Korporation». Sie sei eine Kaderschmiede für neofaschistische Intellektuelle, die aber auch CDU- Mitglieder anziehe.

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