Messerattacke in Kreuzberg
Schwer verletzter Flüchtling vor besetzter Schule auf Gehweg gefunden
Ein schwer verletzter 20-Jähriger wurde in der Nacht zu Donnerstag auf dem Gehweg vor dem Gelände der von Flüchtlingen besetzten Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg von der Feuerwehr abgeholt und ins Urban-Krankenhaus gebracht. Der Mann, laut Polizei ein in der Schule lebender Flüchtling aus der Elfenbeinküste, soll angegeben haben, Opfer einer Messerattacke geworden zu sein. Er habe sich zunächst mit zwei anderen Männern gestritten, als der Streit eskalierte, sollen diese ein Messer gezückt und auf ihn eingestochen haben. Eine Unterstützerin aus dem Umfeld der besetzten Schule sagte gegenüber »nd«, über den Hintergrund des Streits und das Opfer sei auch in Unterstützerkreisen wenigbekannt, man gehe jedoch davon aus, dass der 20-Jährige tatsächlich in der Schule gewohnt habe.
Verschiedene Medien berichteten am Donnerstagvormittag, die Messerattacke habe sich in der besetzen Schule ereignet. Wie ein Polizeisprecher gegenüber »nd« mitteilte, ist diese Information jedoch falsch: Der Streit habe nicht in der Schule, sondern in dem davor liegenden Gebäude stattgefunden, so Sprecher Thomas Neuendorf. Hierbei handelt es sich um das soziale Zentrum »Irving-Zola-Haus«. Diese wurde zeitgleich mit der Schule besetzt, wird aber nicht von Flüchtlingen bewohnt, sondern für Veranstaltungen der linken Szene genutzt. Berichte, nach denen die Schule am Donnerstagmorgen durchsucht oder sogar geräumt wurde, erwiesen sich ebenfalls als Falschmeldungen.
Eine Hundertschaft der Polizei rückte in den frühen Morgenstunden an und umstellte das Gelände. Ein Sondereinsatzkommando durchsuchte gegen 5:30 Uhr das Gebäude, in dem sich der Messerangriff ereignet haben soll, da waren die Täter jedoch nicht mehr anwesend. Danach übernahm eine Mordkommission die Ermittlungen im Gebäude. Die Schule war laut Angaben des Polizeisprechers Thomas Neuendorf von dem Polizeieinsatz nicht betroffen.
Da die Polizei im Gegensatz zum letzten Einsatz auf dem Gelände diesmal nicht oder nur vereinzelt in die Schule eindrang, gab es nur sehr mäßige Kritik an dem Einsatz. »Sie haben diesmal keine Türen eingetreten oder so etwas«, sagte ein Unterstützer, der bei dem Einsatz vor Ort war. Nichtsdestotrotz soll laut Polizei ein Mann bei dem Einsatz verletzt worden sein und sich zur Behandlung ins Krankenhaus begeben haben.
Auch wenn am Donnerstag noch wenig über die Hintergründe der Tat, die mutmaßlichen Täter und das Opfer bekannt war, nahmen verschiedene Medien den Vorfall zum Anlass, eine Räumung der besetzten Schule zu fordern. Hans Panhoff, Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain Kreuzberg, warnte hingegen gegenüber »nd« vor voreiligen Schlussfolgerungen: »Es kann sich auch um einen Konflikt handeln, der genauso woanders hätte passieren können«, so Panhoff. Dennoch zeige der Fall, dass das Haus »dringend Strukturen« brauche. Momentan verhandele der Bezirk mit den Flüchtlingen und den Initiativen, die das Haus ebenfalls nutzen wollen, um eine gemeinsame Lösung.
Die Gebäude der ehemaligen Gerhard-Hauptmann-Schule wurden im Dezember 2012 besetzt. Das Schulgebäude wurde zunächst als Winterunterkunft von Flüchtlingen genutzt, die vorher im Protestcamp am Oranienplatz gelebt hatten. Seit Monaten schon sind die Strukturen des Camps und der Schule weitgehend unabhängig voneinander, auch leben in der Schule mittlerweile nicht nur protestierende Flüchtlinge, sondern auch viele Wohnungslose. Das Haus ist in schlechtem Zustand, viele der Scheiben sind zerschlagen, eine Heizung gibt es nicht. Bereits in der Vergangenheit war es mehrmals zu gewalttätigen Eskalationen unter den Bewohnern gekommen, die teilweise schwer traumatisiert sind.
Medienberichte sprachen den Tätern sowohl Senegal als auch Sudan als Herkunftsland zu, keine der beiden Angaben konnte jedoch durch die Polizeibestätigt werden. Das Opfer ist laut Polizei ansprechbar und befindet sich nicht mehr in Lebensgefahr, diese Information bestätigte auch eine Person aus dem Unterstützerkreis der besetzten Schule.
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