Wuppertals Lindwurm schwächelt
An der berühmten Schwebebahn gibt es immer wieder technische Probleme - die Stadt bangt um ihr Wahrzeichen
Die Signalzeichen auf der Strecke zeigen wieder grünes Licht, doch noch immer fährt kein Zug. Seit fast einem Monat müssen die Wuppertaler auf ihr wichtigstes Verkehrsmittel verzichten: Nach dem Unfall vom 17. Oktober bleibt die berühmte Schwebebahn, die eigentlich eine Hängebahn ist, weiter außer Betrieb. Das Ende der Zwangspause ist nicht in Sicht. Immerhin scheint die Ursache inzwischen gefunden.
Kummer mit »ihrer« Schwebebahn sind die Wuppertaler durchaus gewöhnt. So ruhte der Betrieb im Jahr 2010 vier Monate lang, weil ein Teil des - damals noch historischen - Gerüsts verstärkt werden musste. Drei Monate Stillstand gab es nach dem bislang schwersten Unfall im April 1999 mit fünf Toten und 47 Verletzten.
Die Wuppertaler Schwebebahn wurde am 1. März 1901 eröffnet. Die Streckenlänge beträgt 13,3 Kilometer, die Gleislänge 28 Kilometer. Davon sind 26,6 Kilometer Streckengleise und 1,4 Kilometer Betriebsgleise. Für die Bahn mit ihren fast 500 Brücken und Stützen wurden fast 20 000 Tonnen Eisen als Baumaterial eingesetzt. Auf den ersten 10,6 Kilometern folgt die Strecke in etwa zwölf Metern Höhe dem Bett der Wupper flussabwärts, hier gab das Gewässer die Trassierung exakt vor. Insgesamt bedient die Bahn 20 Haltestellen, sie weisen einen durchschnittlichen Abstand von 700 Metern zueinander auf. Die Dichterin Else Lasker-Schüler, geborene Wuppertalerin, war stolz auf die Schwebebahn und schrieb über sie: »Ein Eisengewinde, ein stahlharter Drachen, windet und legt sich mit vielen Bahnhofsköpfen und sprühenden Augen über den schwarzgefärbten Fluss.« nd
Und nun das: Trotz jahrelanger, teurer Sanierung bangt die Stadt erneut um ihr 112 Jahre altes Wahrzeichen, das Einheimische auch gern »Lindwurm« nennen. Wochenlang rätselten die Experten, warum Zug Nummer 22 die - inzwischen wieder montierte - Stromschiene auf einer Länge von 260 Metern aus der Verankerung riss und auf Autos niederprasseln ließ. Inzwischen scheint einigermaßen sicher, dass ein nicht ordnungsgemäß verschraubter Stromabnehmer am Wagen 22 dazu führte, dass dieser sich neben die Stromschiene verschob und dort die Aufhängungen der Schiene abraspelte bis diese abstürzte.
Um Wiederholungen - die Schiene hätte durchaus einen Menschen erschlagen können - zu vermeiden, soll die Schiene nun mit Seilen gegen ein Herabfallen gesichert werden. Erst dann wird die Aufsichtsbehörde grünes Licht geben.
»Hier geht Sicherheit vor Schnelligkeit«, betont Ulrich Jaeger von den Wuppertaler Stadtwerken (WSW). Viele Jahrzehnte, bis zu dem schweren Unfall von 1999, galt die Schwebebahn auf ihrer 13,3 Kilometer langen Strecke als sicherstes Verkehrsmittel der Welt. Daran tat auch der berühmte Sturz des Elefanten »Tuffi« keinen Abbruch, der 1950 während einer Zirkus-Werbefahrt aus einem Schwebebahnwagen in die Wupper fiel - und unverletzt blieb.
Aber das wochenlange Rätselraten um die Ursache hat erstmals die Betriebssicherheit der Bahn grundsätzlich infrage gestellt. »Kann dieser Unfall die Folge der Sanierung sein?«, fragte ein besorgter Leserbriefschreiber in der Lokalpresse. Schließlich waren auch die neuen Kunststoff-Aufhängungen der Schiene vorübergehend in Verdacht geraten.
Denn die Schwebebahn, die heute durch Wuppertal schnurrt, ist nicht mehr die Bahn, die im Jahr 1901 an den Start ging. In den vergangenen 20 Jahren wurden Gerüst und Bahnhöfe für fast eine halbe Milliarde Euro erneuert. Die Arbeiten sind fast abgeschlossen. Auch der Fuhrpark steht vor einer Modernisierung. Ab 2014 sollen neue Gelenkwagen, gefertigt vom Düsseldorfer Technikkonzern Vossloh, die aus den 1970er Jahren stammende Flotte aus 28 Zügen schrittweise ersetzen - Kosten: rund 120 Millionen Euro.
Deswegen wäre es fatal, wenn die Aufsichtsbehörde nicht überzeugt werden könnte - nicht nur für die mehr als 80 000 Wuppertaler, die die Bahn an jedem Werktag nutzen. Wenn sie denn fährt. dpa/nd
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