Zweiter Anlauf in Kosovska Mitrovica
Serbiens Premier Dacic droht serbischen Wählern mit albanischem Bürgermeister
Maskierte Angreifer hatten am Nachmittag des 3. November Wahllokale im Norden Kosovska Mitrovicas überfallen und Wahlurnen zerstört. Daraufhin war die Abstimmung im serbisch besiedelten Norden Kosovos drei Stunden vorzeitig abgebrochen worden, die Beobachter der OSZE brachten sich vorsorglich in Sicherheit.
Eigentlich sollte diese Kommunalwahl dazu dienen, die Serben im Norden endlich in die Republik Kosovo einzugliedern, die 2008 einseitig ihre Unabhängigkeit erklärt hatte. Erstmals rief auch die Regierung Serbiens, die ein unabhängiges Kosovo nach wie vor nicht anerkennt, ihre Landsleute zur Wahlteilnahme auf. Dafür hatte Belgrad in Brüssel das Versprechen ausgehandelt, dass die EU demnächst die Beitrittsgespräche mit Serbien aufnimmt. Und die Kosovo-Regierung in Priština musste der Bildung einer »Gemeinschaft der serbischen Gemeinden« mit gewissen Autonomierechten zustimmen.
Ungeachtet dessen boykottierte die Mehrheit der Serben in Nordkosovo, die weiter zu Serbien gehören will, die Abstimmung abermals. Die Wahlbeteiligung lag dort nach vorläufigen Angaben bei kläglichen 15 Prozent. Und in Mitrovica kam es zu den beschriebenen Überfällen. Zwar erklärte die EU die Wahlen ungerührt zu einem Erfolg und lehnte eine Wiederholung im ganzen Norden ab, doch in den bewussten drei Stimmbezirken wurde für den 17. November ein zweiter Versuch angesetzt.
Dort werden am Sonntag vor allen Wahllokalen Sicherheitskräfte aufziehen: Sowohl die EU-Polizei- und Justizmission EULEX als auch die Kosovo-Polizei und die Soldaten der NATO-geführten KFOR-Truppe stehen bereit, jede Störung des Wahlablaufs zu unterbinden. Und dies mit ausdrücklicher Zustimmung der serbischen Regierung. Noch am Freitag sprach der serbische Ministerpräsident Ivica Dačić darüber mit EULEX-Chef Bernd Borchardt,
Die etwa 20 000 serbischen Wahlberechtigten ködert Dačić diesmal mit dem Argument, wenn sie nicht in genügend großer Zahl an der Abstimmung teilnähmen, bekämen sie einen albanischen Bürgermeister. »Und dann viel Glück«, fügte der Premier hinzu. Tatsächlich führt nach Auszählung der Stimmen aus den anderen Wahllokalen der Stadt der ethnische Albaner Agim Deva, Kandidat der Demokratischen Partei des Kosovo-Ministerpräsidenten Hashim Thaci. Ein Albaner an der Spitze einer mehrheitlich serbischen Gemeinde wäre indes nicht einmal im Interesse der Regierung in Priština. Der Verwaltungschef würde von den Bewohnern im besten Fall ignoriert, Dačić sieht sogar die Gefahr neuer bewaffneter Konflikte. Überdies wäre das Projekt der »Gemeinschaft serbischer Gemeinden« gefährdet, die in Nord-Mitrovica ihren Sitz haben und - so der serbische Premier - »die Verbindungsarterie zwischen Serbien und den Serben in Kosovo« sein soll, denn alle anderen seien abgeschnitten.
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