Non, je ne regrette rien
Cécile Rol-Tanguy über ihren Kampf gegen die deutschen Okkupanten, über Merkel und Hollande
nd: Cécile, bevor Ihr Mann ein berühmter Résistancekämpfer wurde, war er im Spanienkrieg.
Rol-Tanguy: Oui. Er arbeitete bei Renault, war Mitglied der Kommunistischen Partei und der Metallarbeitergewerkschaft. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, den spanischen Genossen in ihrem Kampf gegen die Franquisten beizustehen.
Da waren Sie aber noch nicht verheiratet?
Nein. Er ging 1937 nach Spanien. Wir heirateten 1939. Dann musste er zur Armee. Nach der Kapitulation, ging er sofort in den Untergrund. Er hatte mehrere Decknamen in der Résistance, darunter »Rol«. Das war der Name eines 1938 in Spanien gefallenen Freundes: Théo Rol. Den Namen behielten wir nach der Befreiung bei.
Auch Sie waren im Widerstand gegen die deutsch-faschistische Okkupation?
Naturellement. Ohne zu zögern, sagte ich Ja, als mein Mann mich im August 1940 fragte. Ich war seine »Geheimagentin«, Kontaktfrau und Kurierin. Ich besorgte Waffen und verfasste Flugblätter.
Hatten auch Sie einen Decknamen?
Mein nom de guerre war »Lucie«. Das ist mein zweiter Vorname. Es gab viele Frauen in der Résistance. Ohne uns wären die Männer nicht so erfolgreich im Kampf gegen die Okkupanten und Kollaborateure gewesen. Das wird oft vergessen. Die Frauen der Résistance leisteten Heroisches, nicht nur Kurier- oder Aufklärungsdienste, sie kämpften auch mit der Waffe.
Und sie haben »nebenbei« Kinder bekommen.
Ich habe vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, fast allein aufgezogen. Mein erstes Kind habe ich leider verloren. Es war nicht leicht. Und obwohl ich den Kindern viel über ihren Vater erzählte, haben sie ihn doch sehr vermisst. Ich auch. Ich sah ihn in den fünf Jahren immer nur kurz. Die wenigen Augenblicke, die wir gemeinsam hatten, waren wunderschön. Es mag komisch klingen, aber ich war in dieser für uns Franzosen so schweren Zeit der Demütigung und Entrechtung, der Willkür und des Terrors trotzdem glücklich. Ich war schwer verliebt. Das half, die Angst zu besiegen. Non, je ne regrette rien. Ich bereue nichts.
So heißt ein Lied der Édith Piaf. Sie half damals jüdischen Kollegen und besorgte Pässe für Illegale.
Sie war nicht aktiv im Widerstand. Viel zu gefährlich. All ihre Schritte wurden von den Besatzern verfolgt. Sie war ja schon damals ein Star.
Und Ihr Mann, Henri Rol-Tanguy, stieg quasi zu einem »Star« der Résistance auf?
Er war Kommandeur der Francs-tireurs et partisans und der Forces Françaises de L›Intérieur (FFI) und leitete den bewaffneten Kampf in Paris und Umgebung.
Und den Aufstand von Paris im August 1944.
Ja. Am 25. August nahm er die Kapitulation des deutschen Befehlshabers von Paris entgegen. Das war ein Freudentag. Für alle Franzosen. So glücklich war ich vielleicht nur noch am Tag unserer Hochzeit gewesen.
Aber damit waren Sie und Ihr Mann noch nicht wieder vereint. Auch die Kinder mussten weiter auf die Rückkehr des Vaters warten.
So ist es. Er ist zog weiter nach Deutschland. Bis nach Koblenz.
Und Sie mussten weiter um ihn bangen. Denn in den letzten Kriegswochen starben noch viele, so der berühmte Colonel Fabien, der das erste Attentat auf die Deutschen verübt hatte und Pierre Georges hieß.
Er war ein enger Freund und Mitstreiter meines Mannes. Sein Ende war tragisch. Fabien starb am Rhein, im Elsaß. Am Tag nach Weihnachten 1944 - von einer Mine zerfetzt.
Deutsche Hitlergegner, die in seiner Einheit kämpften, verehrten ihn.
Es gab viele deutsche Antifaschisten in der Résistance und im Maquis. Auch Jugoslawen und Italiener ... Wie im Kampf gegen Franco, so waren wir auch in der Résistance eine internationale Familie. Der Angriff des Faschismus auf Demokratie und Humanität traf alle. Deshalb konnte die antifaschistische Antwort nur international sein. Auch nach dem Krieg hielten wir zusammen, blieben in Kontakt. Über den Eisernen Vorhang hinweg. Wir wurden auch in die DDR eingeladen.
In Frankreich gibt es kein verkrampftes Verhältnis zu kommunistischen Widerstandskämpfern wie in der Bundesrepublik?
Bei uns wird kommunistischen Résistancekämpfern die gleiche Ehre zuteil wie bürgerlichen. Schon im Juni 1945, nach der Kapitulation der Deutschen, erhielt mein Mann von General de Gaulle das Croix de la Libération. Es folgten viele weitere Ehrungen, so das Grand Croix de la Légion d‹Honneur. Als er 2002 starb, bekam er ein Staatsbegräbnis. Eine Straße in Paris ist nach ihm benannt. Und eine Metro-Station.
Wie denken Sie über Deutschland und die Deutschen heute?
Ich habe nichts gegen die Deutschen. Aber ich kritisiere die Rolle, die Deutschland sich in Europa anmaßt. Frau Merkel will die Interessen des deutschen Kapitals durchsetzen, brachial, ohne Rücksicht auf die anderen. Deutschland will diktieren. Das zerstört die europäische Idee.
Deren Väter Franzosen und Deutsche waren wie Aristide Briand und Gustav Stresemann.
Ja. Aber unsere Regierung ist nicht viel besser. Mit Lohndrückerei und Sozialabbau werden heiß erkämpfte Errungenschaften eiskalt liquidiert.
Und Ihre Regierung, eine sozialistische, hetzt zum Krieg gegen Syrien.
Das ist verheerend, verbrecherisch., ziemt sich nicht für eine linke Partei.
Jean Jaurès würde sich im Grabe umdrehen. Er wollte den Ersten Weltkrieg verhindern und wurde kurz vor dessen Ausbruch, am 31. Juli 1914, von einem Nationalisten in einem Pariser Café erschossen.
Jaurès würde Hollande die Leviten lesen. Aber unsere Sozialisten kümmert ihr Erbe nicht. Schon lange nicht mehr. Deshalb haben es die Kommunisten übernommen.
Sie sind Kommunistin?
Bien sûr. Selbstverständlich.
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