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Sowjetische Soldaten haben Namen
Russische Botschaft zufrieden mit der Pflege der Kriegsgräber durch Deutschland
Möglicherweise sind Komplimente an Deutschland aus der russischen Botschaft nicht gerade an der Tagesordnung. Am Montag gab es aber eines. Die Bundesregierung habe Anfang der 1990er Jahre die Aufgabe übernommen, Gräber von sowjetischen Soldaten, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern auf deutschem Boden zu pflegen und zu erhalten. Es sei festzustellen, dass die Bundesrepublik »diese Aufgabe sorgfältig wahrnimmt«, sagte der zuständige Büroleiter Wladimir Kukin am Montagabend. Man könne »im Allgemeinen zufrieden sein«. Nicht jeder Staat habe eine solche Erinnerungskultur.
Das Land Brandenburg fand an diesem Abend mehrfach positiv Erwähnung. Dass die Ehrenfriedhöfe und Gedenkstätten in Jüterbog, Baruth, Schönewalde, Hennigsdorf und Lebus rekonstruiert und tadellos instand gesetzt worden sind, hat Russland sehr wohl registriert. Märkisch-Oderland verfüge als einziger Landkreis über eine ausgezeichnete und komplette Dokumentation der sowjetischen Kriegsgräber auf seinem Territorium. In den meisten Fällen aber sind auch hier die Toten namenlos, liegen also anonym.
»Gräber in Deutschland. Letzte Ruhestätten sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener« lautete das Thema des Abends. Das mehrere hundert Menschen umfassende Auditorium nahm zur Kenntnis, wie viel Bewegung auch rund 70 Jahre nach Kriegsende noch zu erleben ist. Rund 4040 russische Gräberstätten wurden bislang in Deutschland aufgefunden, vom Einzelgrab bis zum großen Friedhof. Bekannt seien 645 solche Kriegsgräberstätten aus dem Ersten Weltkrieg und 3445 aus dem Zweiten. Noch immer werden neue ermittelt, andere zusammengelegt oder verändert.
Historisch bedingt ist die Situation in den neuen Bundesländern eine völlig andere als im Westen. Weil sowjetische Truppen hier gekämpft hatten und große Verluste bei der Befreiung vom Faschismus erlitten, aber auch, weil die Sowjetunion hier anschließend Besatzungsmacht war, gibt es sowjetische Soldatenfriedhöfe im Osten in vielen Städten und Gemeinden, zumeist an exponierter Stelle. Allein die Eroberung Berlins kostete 350 000 sowjetische Soldaten das Leben.
Botschafter Wladimir Grinin erinnerte, dass gefangene und verschleppte Bürger der UdSSR in Hitlerdeutschland als minderwertiges Menschenmaterial galten und es nach wie vor keine genauen Opferzahlen gebe. Rund 750 000 sowjetische Bürger seien in Deutschland begraben worden, viele von ihnen einfach verscharrt. In der alten BRD sind im Grunde keine gefallenen sowjetischen Soldaten beerdigt, wohl aber gestorbene beziehungsweise ermordete Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Auch dort hatten die Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich nach Kriegsende zunächst verfügt, Sowjetbürger in würdigen Grabanlagen zu bestatten. Was aber danach im Zuge des Kalten Krieges geschah, ist kein Ruhmesblatt. Wohl gab es positive Ausnahmen wie das sowjetischen Kriegsgefangenenlager Stukenbrock. Dort hatten Häftlinge nach ihrer Befreiung durch die Amerikaner einen Friedhof für ihre Toten angelegt, darunter acht Säuglinge. Die Roten Sterne wurden gefertigt aus Fahrradrückleuchten, die in einem Unternehmen unweit davon produziert wurden. Diese Sterne gebe es jedoch leider nicht mehr, ließ die Gedenkstättenleitung wissen, und die Symbole Hammer und Sichel seien später sinnigerweise durch ein orthodoxes Kreuz ersetzt worden. Die Gräberstätte für Kriegsgefangene bei Wolfsburg verkam in den 1950er und 1960er Jahren, und bevor in den 1980er Jahren Bürgerinitiativen einschritten, war daneben eine Müllkippe angelegt worden.
Botschafter Grinin würdigte, dass ein russisch-deutsches Projekt sich eine möglichst lückenlose Dokumentation der sowjetischen Kriegstoten auf deutschem Boden vornehme. Die Russen wünschen sich, den anonym bestatteten Landsleuten die Namen zurückzugeben. Inzwischen seien die Informationen weitgehend lückenlos von russischer Seite veröffentlicht. In den meisten Fällen ließen sich die Namen Gräbern zuordnen. »Natürlich«, fügte Kukin hinzu, müsse man die russische Sprache dafür »ein wenig beherrschen«. Hilfe dabei gewährt das deutsch-russische Museum in Berlin-Karlshorst.
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