Was ist Erinnerungskultur?
Initiative fordert neue Debatte über das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg
Nürnberg. Architekten, Stadtplaner und Künstler haben eine neue Debatte über die künftige Gestaltung des Nürnberger NS-Reichsparteitagsgeländes gefordert. Im Umgang mit der Nazi-Erblast müsse ein breiter Konsens gesucht werden, forderten die im Verein »Baulust« zusammengeschlossenen Fachleute am Dienstag. Dies müsse geschehen, bevor die Stadt etwa mit einer »Generalinstandsetzung« der Zeppelintribüne im Ostteils des weitläufigen Geländes unverrückbare Fakten schaffe, warnte der Sprecher der mit der Problematik befassten »Baulust«-Arbeitsgruppe, Alexander Hentschel.
Gerade im Umgang mit der Zeppelintribüne mit ihrer charakteristischen Führerkanzel sollten nach Hentschels Einschätzung alle denkbaren Varianten geprüft werden - von einem Komplettabriss bis zur Rekonstruktion. Am Ende werde es wohl aber eher auf »eine Lösung dazwischen« hinauslaufen, sagte der Bauingenieur.
Die Vorschläge des Baulust-Vereins reichen dabei vom Erhalt der Zeppelintribüne samt Überdachung bis zu einem kontrollierten Verfall des Gebäudes und einem Teilabbruch mit Erhalt des Goldenen Saals im Inneren. Hentschel betonte, die Arbeitsgruppe habe sich selbst bislang für keine Variante entschieden. »Es gibt für jeden Vorschlag gute Gründe dafür und dagegen«, sagte Hentschel. Bei einer Tagung im Februar kommenden Jahres will der Verein den Umgang mit der Nazi-Hinterlassenschaft mit Pädagogen, Künstlern, Philosophen und Psychologen diskutieren.
Professor Josef Reindl von der Technischen Hochschule Nürnberg warnte davor, die Bedeutung der früheren Nazi-Propaganda-Architektur im Süden der früheren »Führerstadt« für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zu überschätzen. Man müsse sich fragen, »ob das wirklich Erinnerungskultur ist, wenn wir die Steine von Hitler wieder aufrichten«, sagte der Architekt. Den wichtigsten Beitrag zur Erinnerungskultur leiste das in der früheren NS-Kongresshalle untergebrachte Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.