Hundert Meter Autobahn
Mecklenburg-Vorpommerns Theaterintendanten wollen in Zukunft zusammenhalten
Der erste Satz, den der designierte Intendant des Rostocker Volkstheaters aus der Landeskulturpolitik zu seiner neuen Wirkungsstätte vernehmen musste, war der, dass es diese ja eigentlich gar nicht mehr gebe! Denn das Rostocker Volkstheater, ein Vollbetrieb mit Schauspiel, Orchester, Tanz und Oper, sollte nach Plänen des Kultusministers Mathias Brodkorb (SPD) mit dem Schweriner Staatstheater fusionieren - als Teil einer Agenda, nach der die seit den frühen 1990er Jahren bei jährlich 36 Millionen gedeckelten Fördermittel noch bis 2020 unverändert bleiben sollten.
Doch die inhaltlich besonders fragwürdige Fusion ausgerechnet der beiden großen Häuser im Land ist de facto vom Tisch, seit der eigentlich weniger als Theaterfreund bekannte Rostocker Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) kräftig auf denselben gehauen hatte. Stattdessen haben die Nordost-Bühnen - woran Sewan Latchinian nicht ganz unschuldig ist - in einer neuen Weise zusammengefunden: Vor wenigen Tagen riefen die Intendanten eine »ständige Konferenz« aus, die sich politisch einbringen und in Zukunft mit nur einer Stimme sprechen will.
So, sagt Latchinian, will man sich nicht nur der Logik des »Teile und herrsche« entziehen, mit der die Landesregierung in den letzten Jahren versuchte, ihre Sparpolitik durchzusetzen, sondern die Debatte auch wieder offensiver führen. »Alle oder keiner« müsse die Losung zwischen den Häusern lauten; gegenüber Politik und Öffentlichkeit wolle man verdeutlichen, dass es »nicht zu viel, sondern zu wenig Theater« in Mecklenburg-Vorpommern gebe, sagt der langjährige Senftenberger Bühnenchef: »Die Theater im Land brauchen drei bis fünf Millionen Euro mehr im Jahr, das entspricht gerade mal hundert Metern Autobahn.«
Wie sich die Intendanten ihre Rolle vorstellen, haben sie in einer Sieben-Punkte-Erklärung niedergelegt. Darin wird unter anderem eine »neue demokratische theaterpolitische Debatte« gefordert, die »nicht von statistischer Zahlenspielerei, sondern durch inhaltliche Debatten geprägt« sein müsse. Sparten und Künstler dürften nicht länger »aufeinander gehetzt« werden, die ständige Insolvenzbedrohung - und die wegen der eingefrorenen Mittel über den Bühnen schwebt, müsse beendet werden. Das »Ziel, mit gedeckelten Landeszuschüssen bis 2020 das Fortbestehen der Theater und Orchester im Land zu sichern«, müsse aufgegeben werden. Die bisherige Planung des Kultusministeriums, die auf Expertise der Beratungsgesellschaft Metrum beruhte, sei »gescheitert«, neue Gutachten würden aber auch nicht weiterhelfen. Die Landesregierung solle den Sachverstand der Intendanten »mehr als bisher zur Vorbereitung von Entscheidungen nutzen«.
Es wolle ihm nicht in den Kopf, sagt Latchinian, dass in der wohlhabenden Bundesrepublik nicht machbar sein solle, was »unter den Herzögen, im Dritten Reich und in der DDR« möglich war, nämlich eine - wie fragwürdig im Einzelnen auch immer - »inhaltlich begründete, auskömmliche Kulturfinanzierung«. Besonders der Zustand, dass die Gehälter an den Theatern mittlerweile zehn Prozent unterhalb der Tarifverträge lägen, müsse endlich ein Ende haben. In diesem Sinne sei nun Minister Brodkorb gefordert: »Das alte Konzept ist gescheitert, es braucht jetzt neue Ideen und Fantasien.« Gegen künstlerische Kooperation, sagt Latchinian, werde niemand Widerspruch erheben. Doch der Fusionszwang sei gescheitert.
Ursprünglich hatte das Theaterkonzept der Landesregierung darin bestanden, die Theater im östlichen und westlichen Landesteil jeweils zum Zusammenschluss zu zwingen, um weitere Kostensenkungen und einen erheblichen Stellenabbau zu realisieren. Dieses Ansinnen war im Land bereits in der Vergangenheit auf scharfe Kritik gestoßen. Eine auch von der Linkspartei unterstützte Volksinitiative hatte 2012 innerhalb weniger Wochen fast 50 000 Unterstützer gefunden. Die Landtagsopposition begrüßt daher den Zusammenschluss der Intendanten.
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