»Es geht um das Herzstück von Mainz«
Stadtrat entscheidet über umstrittenes Einkaufcenter
So zäh ist in Mainz noch nie um ein Bauprojekt gerungen worden: Es geht um ein Einkaufsquartier in der City der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt mit bisher nicht gekannten Ausmaßen. Am 4. Dezember soll der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss dazu fassen. Mit dem Bau könnte dann im Herbst 2015 begonnen werden.
Mehrere Ausschüsse des von einer Ampelkoaltion dominierten Mainzer Stadtrates haben dem Projekt bereits grundsätzlich zugestimmt. Allerdings seien noch einige Fragen zu klären. Der Werkbund Rheinland-Pfalz, eine Architektenvereinigung mit Schwerpunkt Stadtentwicklung und Baukultur, hat die bisherigen Verhandlungen kritisiert. Wesentliche Punkte, die der Rat 2012 in seinen Leitlinien beschlossen habe, seien im Verhandlungsergebnis von Stadt und ECE nicht umgesetzt: Der Projektentwickler ECE plane ein in sich abgeschlossenes Einkaufszentrum und kein Einkaufsquartier, eine gemischte Nutzung mit Wohnen und Dienstleistung sei nicht vorgesehen.
Hier müsse nachgebessert werden, erklären Helge Hußmann und Rainer Metzendorf vom Werkbund. Es gehe schließlich um das »Herzstück der Stadt Mainz«, das enge Zeitfenster mit dem Stadtratsbeschluss am 4. Dezember müsse notfalls aufgegeben werden. An diesem Tag geht es um die Aufstellung eines Bauleitverfahrens für das Center. Zu einer guten Baukultur gehöre auch eine gute Planungskultur, mahnten die Architekten. Gehe es später nur noch um Fassadenkosmetik, dann habe das mit Planungskultur nichts mehr zu tun. Es gehe nicht um Einzelforderungen, sondern darum, ob eine quartiersähnliche Struktur entstehe oder nicht. Bei der von ECE vorgelegten Planung handele es sich entgegen der Aussage der Stadtspitze nicht um fünf Einzelgebäude, sondern um ein Gebäude und einen Komplex mit vier Teilen, also ein Einkaufszentrum.
ECE-Projektmanager Gerd Wilhelmus gab zu verstehen, dass er das mit Stadtspitze geschnürte Paket nicht wieder aufschnüren werde. Schließlich habe auch ECE Federn lassen müssen. Beim Mainzer Vorhaben handele es sich um ein Projekt, das das Unternehmen in dieser Form noch nicht umgesetzt habe. ECE gehe mit dem Quartierskonzept ein hohes Risiko ein, meinte Wilhelmus.
Strittig war bei allen politischen Parteien bis zuletzt die Größe des Projekts; 28 000 Quadratmeter Verkaufsfläche seien »nicht zustimmungsfähig«, hieß es. Auf der Ziellinie der Verhandlungen einigte man sich dann auf »ein erträgliches Maß«, nämlich 26 500 Quadratmeter. Auch der Einzelhandel sieht Gefahr im Verzug - die Größe des Einkaufsquartiers sei ein ernst zu nehmendes Risiko, erklärte der Verband, der eine Unterschriftenaktion gestartet hatte. Er hatte eine Begrenzung der Fläche auf 25 000 Quadratmeter gefordert. Die Händler befürchten, dass ihnen der Riese das Wasser abgräbt.
Bei dem letzten Bürgerforum vor dem Tag der Entscheidung im Stadtrat überwogen die kritischen Stimmen. Hartwig Daniels von der Bürgerinitiative Ludwigsstraße meinte, OB Michael Ebling (SPD) sei dem Unternehmen ECE bei den Verhandlungen nicht gewachsen gewesen. Bereits zuvor hatte Daniels den Stadtrat aufgefordert, die Reißleine zu ziehen und der Vorlage nicht zuzustimmen. Nach einer Langzeitstudie vom Mai 2013, die erst jetzt veröffentlicht wurde, fand sich weder bei den 2002 befragten Passanten noch bei 300 interviewten Händlern eine Mehrheit für das Center. Die Studie wurde vom Geographischen Institut der Universität Mainz erstellt.
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