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Vorbestraft und dennoch verehrt
Neuhardenbergs Bürgermeister Mario Eska (LINKE) zu 3900 Euro Geldstrafe verurteilt
Sein Auto ist eine alte Klapperkiste. Die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite lässt sich nicht herunterkurbeln. Auf der Rückbank liegen Bücher, Zettel, ein billiger Kuchen und andere Dinge durcheinander. Dieser Zustand ist ein Sinnbild für Neuhardenbergs Bürgermeister Mario Eska (LINKE). Er gilt als engagierter Macher, als fähiger Organisator, aber auch als chaotisch, was Formalien und den Papierkram betrifft.
Darüber ist der langzeitarbeitslose Feinmechaniker nun gestolpert. Er hat die Beträge, die er als Aufwandsentschädigung erhielt, bei seinen Anträgen auf Hartz IV in den Jahren 2006 bis 2011 nicht angegeben. Das Jobcenter fordert Geld zurück - inbegriffen die Beiträge für Kranken- und Rentenversicherung rund 18 400 Euro. Eska vermag die Summe nicht aufzubringen. Er will deswegen in die Privatinsolvenz gehen.
Dies steht außer Frage. Doch das Amtsgericht Frankfurt (Oder) musste am Donnerstag entscheiden, ob Eska seine Einnahmen absichtlich und notorisch verschwieg. Die Anklage lautete auf vorsätzlichen gewerbsmäßigen Sozialbetrug - gewerbsmäßig, weil er es alle halbe Jahre tat. Der Bürgermeister versichert, er habe arglos gehandelt. Als er im Jobcenter in Seelow erstmals Arbeitslosengeld II beantragte, habe er gefragt, ob er seine Aufwandsentschädigung von damals 610 Euro monatlich angeben müsse. Eine der drei seinerzeit im Büro anwesenden Mitarbeiterinnen habe gesagt, er müsse dies nicht tun, weil Entschädigungen kein Einkommen sind. Der monatliche Freibetrag liegt jedoch lediglich bei 165 Euro.
Als Zeugin sagte die Beschäftigte des Jobcenters aus, die den Dokumenten nach den ersten Antrag bearbeitet hatte. Die 60-Jährige konnte sich an das Gespräch nicht mehr erinnern. Was die falsch erteilte Auskunft betreffe, betonte sie aber: »Das habe ich bestimmt nicht gesagt.« Zwar sei mit der Einführung von Hartz IV alles neu gewesen. Doch: »Klar war, dass sämtliche Einnahmen anzugeben waren.«
Eska, der sehr aufgeregt war und zitterte, behauptete nicht, dass es die 60-Jährige gewesen ist, die ihn falsch informiert haben soll. Er weiß nicht mehr, wie die Frau aussah. Verteidiger Michael Zachhuber zeigte sich überzeugt, dass sein Mandant nicht lügt. Denn der Bürgermeister, der immer wieder in Zeitungen abgebildet und zitiert wird, könne doch nicht darauf spekuliert haben, dass dem Jobcenter seine ehrenamtliche Tätigkeit verborgen bleibe, argumentierte der Anwalt.
Tatsächlich sagte eine ehemalige Mitarbeiterin des Jobcenters aus, dass Eska Bürgermeister ist, »das wusste doch jeder«. Die heute 65-Jährige hatte mit Eska zu tun, weil er als Vorsitzender eines Kulturvereins mehrmals bei ihr vorsprach, um Ein-Euro-Jobs für das Kulturzentrum Quappenhof bewilligt zu bekommen. Die 65-Jährige bestätigte: »Es war nicht sein Ding, mit Formularen und Anträgen klarzukommen, wenn er auch gut organisieren konnte.« Deshalb seien die Ein-Euro-Jobs später nicht mehr mit dem Vereinsvorsitzenden vereinbart worden. Sie liefen dann über eine Beschäftigungsgesellschaft.
Auf Vorschlag von Staatsanwalt Ulrich Scherding stellte Richterin Weigelt das Verfahren zu den ersten vier Anträgen auf Arbeitslosengeld II ein. Seinerzeit hatte Eska als Bürgermeister monatlich nur 610 Euro Entschädigung erhalten, später 750 Euro. Für den Staatsanwalt ist unstrittig, dass Eska tatsächlich Aufwendungen hatte, auch wenn er seine Quittungen nicht säuberlich abheftete. Der Restbetrag wäre so gering gewesen, dass Eska trotzdem zumindest zusätzlich Stütze erhalten hätte. Eine Strafe kam deshalb für diese Zeit nicht in Betracht. Doch seit 2008 ist Eska auch noch Kreistagsabgeordneter, wofür er ebenfalls eine Aufwandsentschädigung von 210 Euro erhält. Eingerechnet einige kleinere Summen für andere Ehrenämter in der Kommunalpolitik und in der Freiwilligen Feuerwehr kommt Eska seitdem auf etwa 1000 Euro. Scherding zog einen Vergleich zu langzeitarbeitslosen »Leidensgenossen«, die weniger Geld in die Hand bekommen.
Auch die Richterin fand, ab 2008 hätte dem Bürgermeister klar sein müssen, dass er nicht mehr bedürftig sei, dem Steuerzahler nicht mehr zur Last fallen dürfe. Die Richterin ließ den Vorwurf vorsätzlichen und gewerbsmäßigen Betrugs fallen, verdonnerte Eska aber wegen normalen Betrugs zu 3900 Euro Geldstrafe. Die Strafe setzt sich aus 130 Tagessätzen zu je 30 Euro zusammen. Ab 91 Tagessätzen gilt man als vorbestraft.
Der bislang unbescholtene Eska räumte ein, dass ein Bürgermeister »definitiv« besser nicht vorbestraft sein sollte. Ob er sich bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 erneut als Bürgermeister bewirbt, will er sich deswegen gründlich überlegen. Ob er Revision gegen das Urteil einlegt, möchte er in den nächsten Tagen mit seinem Anwalt besprechen und entscheiden.
Viele Bürger Neuhardenbergs bescheinigen Eska einen selbstlosen Einsatz zu jeder Zeit. Sie schätzen ihn als ehrliche Haut, kennen ihn als armen Mann, der äußerst bescheiden lebe und sich nichts in die eigene Tasche stecke. Der ortsansässige Musiker Sebastian Blache erzählte, wie Eska ihn und zwei Kollegen überredete, in der polnischen Partnergemeinde aufzuspielen. Eska habe sie hingefahren, jedem ohne Quittung 100 Euro Honorar gegeben und sie auch noch zum Essen eingeladen. Vor dieser Freigiebigkeit gewarnt, habe Eska beruhigt: »Dafür ist meine Aufwandsentschädigung doch da.« Genossen sprachen Eska vor dem Prozess Mut zu, Christen beteten für ihn. Sie werden eine Verurteilung wegen Betrugs als ungerecht empfinden, erwartet Blache. Dagegen fand Rolf Ignaz, ein Nachbar in Quappendorf, ein vorbestrafter Bürgermeister sei bedenklich.
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