»Eine zukunftsfeste Altersvorsorge muss auf drei Säulen ruhen«
Wirklich? Aufklärung über die Mythen der Rentendebatte gibt es hier in einer Serie @ndaktuell
In Deutschland werden die Älteren immer älter – und sie werden immer mehr. Viele fragen sich: Wer soll künftig die Rente all der 90-Jährigen bezahlen? Um die Alterssicherung »zukunftsfest« zu machen, wurde sie in den vergangenen Jahren mehrfach »reformiert« und »umgebaut«, weil »Sachzwänge« dies angeblich verlangen. Doch das Problem ist kein biologisches, sondern ein ökonomisches und politisches. Es geht um Verteilungsfragen. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt den gängigen Behauptungen in einer von Sabine Reiner unter Mitarbeit von Ingo Schäfer verfassten Broschüre Antworten entgegen – Aufklärung gegen die Mythen der herrschenden Rentenpolitik lesen Sie hier täglich in einer nd-Reihe.
»Eine zukunftsfeste Altersvorsorge muss auf drei Säulen ruhen«
Was gesagt wird:
Der Versicherungskonzern Allianz erklärt das »Drei-Säulen Modell« so: »Sie haben zahlreiche Möglichkeiten, fürs Alter vorzusorgen. Möglichst alle davon sollten Sie nutzen: 1. Die gesetzliche Vorsorge. […] 2. Die betriebliche Vorsorge. […] 3. Die private Vorsorge. Der Staat unterstützt bestimmte Formen Ihrer privaten Altersvorsorge mit attraktiven Zulagen und steuerlichen Vorteilen. Da es in Deutschland immer mehr alte Menschen gibt, wird die gesetzliche Vorsorge im Ruhestand künftig nur noch für das Nötigste reichen. Eine eigenverantwortliche betriebliche und private Vorsorge ist deshalb unverzichtbar.«
Was ist dran?
Die betriebliche Versorgung und private Versicherung sind keineswegs neue Erfindungen. Früher ergänzten sie die gesetzliche Rentenversicherung und sorgten so für ein noch besseres Einkommen im Alter. Insbesondere die Betriebsrente war eine zusätzliche Leistung der ArbeitgeberInnen und wurde überwiegend von diesen bezahlt. Heute ersetzen die betriebliche und private Vorsorge die gesetzliche Rente teilweise, anstatt sie zu ergänzen. Und bezahlt werden sie zunehmend allein von den Beschäftigten.
Das System der Alterssicherung als »Drei-Säulen-Modell« zu beschreiben, zeichnete daher schon immer ein falsches Bild. Um jedoch in dem Bild zu bleiben: Früher konnten die, die wollten, mit der betrieblichen oder privaten Rente noch einen Balkon ans Rentenhaus anbauen. Heute sind sie nötig, um die politisch gerissen Lücken in den Wänden notdürftig zu stopfen – an einen Balkon ist da nicht mehr zu denken.
Wenn es um die staatliche Unterstützung geht, wird mit zweierlei Maß gemessen. Auf der einen Seite hört man regelmäßig die Klage, dass die gesetzliche Rente mit viel Steuergeld gestützt werden müsse. Dabei soll der Bundeszuschuss unter anderem allgemein gesellschaftspolitische Aufgaben abdecken, etwa Kriegsfolgelasten oder Folgekosten der deutschen Einigung. Auch wurde der Zuschuss bewusst erhöht, als 1999 die Ökosteuer eingeführt und mit den Einnahmen der Verzicht auf höhere Rentenversicherungsbeiträge finanziert wurde. Die Einnahmen aus den Ökosteuern betragen heute fast 20 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite rühmt sich die Bundesregierung großzügiger Zuschüsse zur privaten Versicherung. Dabei fließt dieses Geld zu einem Großteil in die Taschen der Versicherungsbranche.
Statt Menschen – so sie es überhaupt können – in private Versicherungen zu drängen und diese zu fördern, könnte auch die gesetzliche Rente auf ein stabiles Fundament gestellt werden. So blutet sie aber immer weiter aus, die Leistungen sinken immer weiter, bis die Rente tatsächlich nur noch für das Nötigste reicht. Die Einzigen, die sich ins Fäustchen lachen, sind die privaten Versicherungsunternehmen, AnlageberaterInnen und Investmentfirmen – und die »ExpertInnen«, die von ihnen alimentiert werden, weil sie alle Welt davon überzeugt haben, dass die gesetzliche Rente nicht sicher ist.
Die von Sabine Reiner unter Mitarbeit von Ingo Schäfer verfasste Broschüre »Alte kassieren! Junge zahlen nur drauf!« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.
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