Grüne in Hellersdorf attackiert

Rechte Bürgerinitiative bringt Münchner »Trümmerfrauen«-Diskussion in die Hauptstadt

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
In Hellersdorf wurde die Geschäftsstelle der Grüne angegriffen, Politiker wurden bedroht - wegen einer Aktion der Partei in München.

In der Nacht zu Sonntag haben Unbekannte aus dem rechten Spektrum die Geschäftsstelle der Grünen in Marzahn-Hellersdorf attackiert. »Bündnis 90/Die Grünen sind Denkmalschänder« stand auf einem Stofftransparent, das über die gesamte Schaufensterscheibe des Ladenlokals der Grünen in Alt-Biesdorf gespannt war. Ein Parteivertreter hat es am Sonntag entfernt. »Eine Strafanzeige ist in Arbeit«, kündigt Matthias Raudies von den Grünen des Bezirkes an.

Auf Facebook bekennt sich eine »Bürgerbewegung Hellersdorf« zu dem Angriff. Die Bürgerbewegung agiert erst seit letzter Woche in dem sozialen Netzwerk. Es ist unschwer zu erkennen, dass sie Nachfolger der NPD-nahen »Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf« ist, deren Webpräsenz von Facebook vor zwei Wochen gelöscht wurde. Auch die sogenannte Bürgerbewegung agiert aus der Anonymität heraus unverhohlen mit fremdenfeindlichen Parolen. Sie bekannte sich offen dazu, am Freitag an das Hellersdorfer Asylbewerberheim symbolische »Rückflugtickets« für die Bewohner geheftet zu haben. Das erinnert an NPD-Aktionen gegenüber migrantischen Politikern. Die rechtsextreme Partei hatte im Wahlkampf ebenfalls solche »Rückflugtickets« verschickt.

Der Angriff auf die Parteigeschäftsstelle soll eine Reaktion auf Diskussionen in München um Trümmerfrauen sein. Die Grünen an der Isar hatten ein Trümmerfrauendenkmal verhangen, weil neue historische Forschungen ergeben hätten, dass in der bayerischen Metropole Trümmerfrauen keine so große Rolle gespielt hätten wie in anderen Städten. Die Trümmer hätten mehrheitlich männliche Altnazis weggeräumt und das auch nicht freiwillig. Die Alliierten hätten sie zwangsverpflicht. Die These ist allerdings nicht nur in rechten Kreisen umstritten. Die Rechten unterstellen den Grünen wegen dieser Aktion »antideutsches Verhalten« und »Denkmalschändung«.

»Obwohl ich als Hellersdorfer gar nichts mit München zu tun habe, bekam ich am Wochenende eine anonyme Drohmail, in der ich als Geschichtsleugner hingestellt wurde«, sagt der Grüne Hellersdorfer Bezirkspolitiker Matthias Raudies. »Und da war ich nicht der einzige Grüne in Berlin. Wir haben die Mails an das Landeskriminalamt weitergeleitet.«

Auch sonst kommt Hellersdorf nicht zur Ruhe. In der Nähe des Heimes tauchen wieder verstärkt Sticker auf mit Parolen wie »Nein zum Heim«, »Weg mit den Asylbewerbern« und »Asylbetrüger ausweisen«, letzterer mit NPD-Logo. Im November sollen Matthias Raudies zufolge maskierte Männer mit weißen Masken, vermutlich in optischer Anlehnung an den Klu-Klux-Klan, an das Heim fremdenfeindliche Aufkleber angebracht und im Rückzug solche Schnipsel im Umkreis verstreut haben. Auch hier wurde Strafanzeige gestellt.

Die Grünen werten die Attacke auf ihr Parteibüro als einen »feigen Angriff aus der Anonymität heraus«, so deren Abgeordnete Canan Bayram. Sie weist darauf hin, dass NPD-Chef Sebastian Schmidtke die Anmeldung eines Naziaufmarsches durch Friedrichshain vom Freitag zurückgezogen hatte. Auch eine Polizeisprecherin bestätigt, dass die Rücknahme durch Schmidtke kurzfristig erfolgt war. Bayram: »Da ihn letzte Woche ein Gericht zu einer Bewährungsstrafe mit einer dreijährigen Bewährungszeit verurteilt hatte, versucht er wohl, peinlich alle Versuchungen zu Straftaten zu unterlassen, um nicht umgehend im Knast zu landen. Und da müssen andere Rechte ihren Frust wohl anders abbauen und wählen die Anonymität.« Solidarisch mit den Grünen verhält sich die LINKE. Deren BVV-Fraktionschef Björn Tielebein sagt, die Schändung sei nicht hinnehmbar und kein Stil der politischen Auseinandersetzung. Er fordert, dass der Polizeiliche Staatsschutz alle Möglichkeiten ergreift, »gegen die rassistische Gruppierung vorzugehen, die sich erst Bürgerinitiative und jetzt Bürgerbewegung nennt.«

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