Zehntausende von Porno-Stream-Abmahnung betroffen

Jurist spricht von »größter mir bekannten Abmahnwelle« / Internet-User sollen 250 Euro für Sexfilmchen zahlen

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die Welle an Abmahnungen wegen des Schauens urheberrechtlich geschützter Sexfilme im Internet nimmt immer größere Ausmaße an. Schätzungen von Anwälten zufolge sind mehrere zehntausend Internetnutzer betroffen. »Nach unseren Maßstäben muss das eine gigantische Abmahnzahl gewesen sein«, sagte Rechtsanwalt Udo Vetter am Mittwoch. Der Mainzer Anwalt Tobias Röttger nannte die Massenabmahnung »die größte mir bekannte Abmahnwelle auf einen Schlag«.

Die Internetnutzer waren von einer Regensburger Anwaltskanzlei im Auftrag der Schweizer Firma The Archive AG abgemahnt wurden, weil sie angeblich Sexfilmchen auf der Seite Redtube.com geschaut hatten, die urheberrechtlich geschützt sind. Sie wurden aufgefordert, 250 Euro zu bezahlen und schriftlich zu versichern, das Vergehen nicht noch einmal zu begehen.

Allerdings sind die Abmahnungen in mehreren Punkten umstritten. Selbst wenn die Vorwürfe stimmen, hätten die Nutzer die Filme nämlich nur im Browser abgerufen, anstatt sie auf einen Datenträger herunterzuladen. Bei Tauschbörsen, die beispielsweise auf der BitTorrent-Technologie aufsetzen, laden Nutzer dagegen Musik oder Filme herunter und stellen sie gleichzeitig anderen Nutzern zur Verfügung. Damit verbreiten sie die Inhalte weiter - eine Urheberrechtsverletzung. Das ist beim Streaming anders.

»Eine Kopie entsteht allenfalls flüchtig in Ihrem Zwischenspeicher«, erklärte Anwalt Vetter. Fachleute sind sich uneinig, ob das bloße Anschauen der Filme überhaupt das Urheberrecht verletzt, selbst wenn die Rechteinhaber mit der Verbreitung nicht einverstanden sind.

In der Debatte sind aber auch Urteile des Landgerichts Köln in die Kritik geraten. Richter in 16 unterschiedlichen Zivilkammern am Landgericht hatten im Juli und August in mehreren Beschlüssen die Deutsche Telekom und andere Internet-Provider dazu verpflichtet, die Identität der Anschlussinhaber zu Zehntausenden IP-Adressen bekanntzugeben. Nun gehen etliche Juristen davon aus, dass die Richter in Köln dabei hinters Licht geführt wurden.

Die Anträge an das Landgericht hätten nicht deutlich gemacht, dass es um Internet-Streaming und nicht um Tauschbörsen gehe, sagen Anwälte. »Aus meiner Sicht sind diese Anträge sehr schwammig formuliert«, sagte der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke, dessen Kanzlei mehrere hundert der Abgemahnten betreut. Das Wort »Streaming« falle in den Anträgen gar nicht. Außerdem sei unklar, wie die Rechteinhaber die Internetdaten der Nutzer erhoben haben. dpa/nd

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