Braunzone zwischen Harz und Nordsee

NPD in Niedersachsen flächendeckend vertreten / Behörden knicken vor Rechtsextremen ein

Rechtsextremismus und Rassismus sind nicht nur in den neuen Bundesländern ein Problem. Neonazis verbreiten auch in Niedersachsen Angst und Schrecken.

Im Wald bei Bad Harzburg pöbelten rechte Jugendliche am Himmelfahrtstag eine Gruppe von rund 50 muslimischen Frauen und Mädchen an: »Ab mit euch ins KZ!«, brüllten die Rechten. Ein Wanderer, der sich schützend vor die Gruppe stellte, wurde nach einem Zeitungsbericht »brutal ins Gesicht geschlagen«. Auch niedersächsische Behörden knickten schon vor Rechtsextremisten ein. So verbot die Samtgemeinde Auetal im Deister Anfang März ein »Rock gegen Rechts«-Konzert mit dem Hinweis auf mögliche rechte Gegenaktionen und eine Gefährdung der Öffentlichkeit. »Offensichtlich kneifen die Genehmigungsbehörden vor den Umtrieben rechtsradikaler Banden«, kritisierten damals die Grünen im Landtag. In Auetal waren im Herbst mehrmals jüdische Gedenkstätten geschändet worden, auf Dorffesten prügelten Neonazis auf Gäste ein. Außer dem Deister gelten in Niedersachsen unter anderem der Harz und das südliche und südöstliche Niedersachsen, die Kreise Verden und Stade, das Bremer Umland sowie das Wendland und die Lüneburger Heide als Hochburgen militanter Neonazis. Die NPD ist in Niedersachsen flächendeckend mit Kreisverbänden und »Stützpunkten« vertreten. Landesweit agieren etwa 20 neonazistische »Kameradschaften«. In Südniedersachsen ist die rechtsextreme Szene ein Paradebeispiel dafür, wie die Grenzen zwischen der legalen NPD und militanten »freien Nationalisten« am rechten Rand immer häufiger verschwimmen. In Göttingen treten die meisten NPD-Leute gleichzeitig als Mitglieder der »Kameradschaft Göttingen« in Erscheinung. Auch im Harz, im Weserbergland, in Northeim und im Eichsfeld mischen NPD-Mitglieder in den örtlichen Kameradschaften mit - und umgekehrt. Der regionale Neonazi-Anführer Thorsten Heise steht ebenfalls für das Zusammenwachsen von NPD und »freien Nationalisten«. Der mehrfach vorbestrafte, ehemalige Landesvorsitzende der Freiheitlich-Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und »Ziehvater« der Kameradschaften Northeim und Eichsfeld trat im vergangenen Jahr in die von ihm zuvor als »bürgerlich« bekämpfte NPD ein. Heise wurde gleich Bundestagskandidat und rückte in den Parteivorstand auf, wo er das »Referat Freie Kameradschaften« leitet. Von seinem Gut in Fretterode an der thüringisch-niedersächsischen Grenze betreibt Heise auch einen florierenden Versandhandel mit rechtsradikalen CDs. Weil er in Thailand tausende Scheiben mit volksverhetzenden Texten der Band »Sturm 18« (Die Zahl steht für die Buchstaben A und H, Adolf Hitler) pressen ließ, verurteilte ihn das Northeimer Amtsgericht Anfang des Jahres erneut zu einer Bewährungsstrafe. Außerdem tritt Heise als Organisator von rechten Konzerten und als Kundgebungsredner auf. Verfassungsschützer und Polizei in Niedersachsen sind besorgt über die wachsende Gewaltbereitschaft von Rechtsextremisten. Die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund - meist Körperverletzungen - stieg im vergangenen Jahr um 16 auf 119, sagt Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Insgesamt stiegen die rechtsextremen Straftaten im vorigen Jahr von 1399 auf 1518. Damit liegt Niedersachsen in Deutschland mit an der Spitze. Trotz dieser Entwicklungen sieht sich das Bundesland im Kampf gegen den Rechtsextremismus gut aufgestellt. Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) sieht vor allem die »Clearingstelle zur Prävention von Rechtsextremismus« und die »Aussteigerhilfe Rechts« als wichtige Bausteine in der Auseinandersetzung mit Neonazis und rechter Gewalt. Die Clearingstelle soll lokale und regionale Initiativen gegen Rechts vernetzen und darüber informieren. Die Mitarbeiter entwickeln außerdem präventive Konzepte für Schulen und erstellen für das Kabinett aktuelle Lagebilder. In der Aussteigerhilfe helfen Juristen und Sozialpädagogen rechten Gewalttätern beim Ausstieg aus der Szene. Zahlen nennt sie zwar nicht, doch für Heister-Neumann gehört dieses Angebot ...

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