SPD-Basis stimmt für Große Koalition
75,96 Prozent für Vertrag mit Union / Gabriel: »ein Fest innerparteilicher Demokratie« / Jusos: Wir stehen mit unserer Kritik nicht allein
Berlin. Die Basis der Sozialdemokraten hat sich in einer Befragung mit deutlicher Mehrheit für den zwischen Union und SPD abgeschlossenen Koalitionsvertrag ausgesprochen. Knapp 76 Prozent der Mitglieder votierten für den Eintritt in die Große Koalition. Von den 474.820 stimmberechtigten Mitglieder der Partei haben sich über 369.680 an der Befragung beteiligt.
Schon am Nachmittag hatten alle Signale auf das Ergebnis des Mitgliederentscheids hingedeutet. Es gab großen Jubel, Gabriel und die Mitglieder der SPD-Spitze wirkten sehr erleichtert. Den Angaben zufolge lag die Beteiligung an dem Mitgliedervotum bei 77,86 Prozent. Gabriel fand große Worte für das Ergebnis: »Dieser Tag wird nicht nur in die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie eingehen, sondern, ich glaube, der Tag wird in die Geschichte der Demokratie in Deutschland eingehen.«
Gegen die Große Koalition waren 23,95 Prozent. »Wir sind mir unserer Kritik nicht alleine, das zeigt das Ergebnis. Wir kämpfen weiter für unsere Themen, für Gerechtigkeit! Für alle!«, hieß es in einer ersten Reaktion bei den Jusos. Der Verband hatte sich unlängst mehrheitlich gegen den Koalitionsvertrag mit der Union ausgesprochen.
Abgegebene Stimmen: 369.680 (77,86 Prozent)
davon wirksam abgegeben: 337.880
(von diesen dann auch noch ungültig: 316)
Ja-Stimmen: 256.643 (75,96 Prozent)
Nein-Stimmen: 80.921 (23,95 Prozent)
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sagte in einer ersten Reaktion, mit diesem Ergebnis besiegele die Basis der Sozialdemokraten einen Koalitionsvertrag, der »offener Verrat des SPD-Wahlprogramms ist«.
Der Verband Mehr Demokratie e.V. lobte die SPD-Spitze für die Entscheidung, innerhalb der Parteibasis eine Abstimmung über den Koalitionsvertrag durchgeführt zu haben. »Dieses Vorgehen sollten sich auch andere Parteien zum Vorbild nehmen«, sagte Michael Efler, Vorstandssprecher des Vereins. »Richtungsweisende Entscheidungen innerhalb einer Partei sollten generell nicht nur von Parteitagen und -vorständen, sondern von der gesamten Mitgliedschaft abgestimmt werden können.« Die Diskussionen der vergangenen Wochen innerhalb der SPD-Basis zeigten zudem, dass politische Themen nicht zu komplex für die Menschen seien – wie häufig von Gegnern der direkten Demokratie als Argument ins Feld geführt würde.
Gabriel bedankte sich bei den freiwilligen Helfern, der Post und bei den Mitarbietern des Willy-Brandt-Hauses. Vor allem aber wolle er sich als SPD-Chef bei den Mitlgiedern seiner Partei bedanken. »So politisch engagiert habe ich meine Partei in den 36 Jahren, in denen ich ihr angehöre, noch nicht erlebt«, sagte Gabriel. Die SPD sei »die Beteiligungspartei in Deutschland«. Er sei »lange nicht mehr so stolz« gewesen, Sozialdemokrat zu sein, sagte der Parteivorsitzende.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den parteiinternen Gegnern der großen Koalition für ihre Teilnahme an der Mitgliederbefragung gedankt. Zu den knapp 24 Prozent, die bei der Abstimmung gegen Schwarz-Rot votierten, sagte Gabriel am Samstag: »Auch bei denen bedanke ich mich ausdrücklich für die Teilnahme an diesem Mitgliedervotum. Auch die dagegen gestimmt haben, sind so gute und engagierte Sozialdemokraten wie die, die mit Ja gestimmt haben.« Diese 24 Prozent wolle die Parteispitze in den nächsten vier Jahren überzeugen, dass die Mehrheit der Befürworter Recht gehabt habe.
Die Stimmzettel waren in der Nacht in eine eigens angemietete Halle nach Berlin-Kreuzberg gebracht worden. Bereits am Freitagabend waren die rund 400 Freiwilligen im Berliner Willy-Brandt-Haus von SPD-Schatzmeisterin Barabara Hendricks begrüßt worden. Die Sozialdemokraten zitierten einen der Helfer - Nils Rochlitzer aus Potsdam - mit den Worten: »Das ist eine einmalige Gelegenheit bei solch einem Prozess mal dabei zu sein. Das Mitgliedervotum ist ein wunderbares Instrument, das die SPD gerade einführt. Das ist erstmalig in der deutschen Geschichte und sehr spannend!«
Nicht bestätigen wollte Parteichef Sigmar Gabriel die zuvor bekannt gewordenen Namen der SPD-Minister. Sie sollen am Sonntag offiziell genannt werden. Am Dienstag sollen CDU-Chefin Angela Merkel erneut zur Bundeskanzlerin gewählt und das gesamte neue Bundeskabinett vereidigt werden.
Die CDU begrüßte das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids. Nun seien »die Weichen für die Bildung einer gemeinsamen Koalition gestellt«. Der Koalitionsvertrag sei »ein gutes Fundament«. Kanzlerin Angela Merkel habe dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel zur Beteiligung und zum Ergebnis des Mitgliederentscheids gratuliert. Merkel freue sich auf die Zusammenarbeit in der großen Koalition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte: »Wir freuen uns, dass nun die gemeinsame Regierungsarbeit zügig beginnen kann.« Der gemeinsame Koalitionsvertrag sei »ein gutes Fundament, um dafür zu arbeiten, dass unser Land erfolgreich bleibt und es den Menschen in vier Jahren noch besser geht«.
Der scheidende DGB-Chef Michael Sommer hatte den Koalitionsvertrag von Union und SPD zuvor als Erfolg der Gewerkschaften gewertet. Die vereinbarten Verbesserungen bei der Rente, die Begrenzung der Leiharbeit und der Mindestlohn von 8,50 Euro wären ohne die Kampagnen der Gewerkschaften nicht zustande gekommen, sagte Sommer am Samstag in Lübeck. Er war der Hauptredner bei der Bezirkskonferenz des DGB Nord. Agenturen/nd
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