Uruguay: Die Wende im »Krieg gegen die Drogen«

  • Lorenz Matzat
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine Zäsur. Der erste Staat der Welt bricht offen mit dem Prohibitionsregime, das die Vereinten Nationen seit 1961 aufrecht erhalten: Ab kommenden Jahr legalisiert und reguliert Uruguay die Cannabisabgabe. Das ist weit mehr, als die Niederlande, die ja faktisch nur unter bestimmten Bedingungen von einer Strafverfolgung absehen - Anbau, Großhandel und Einfuhr von Cannabis aber weiterhin verfolgen

Der Suchtstoffkontrollrat der Vereinten Nationen (INCB) zeigt sich bitter enttäuscht (pdf) über das südamerikanische Land. Dessen Mitglieder gelten Kritikern als »Hohepriester der Drogenprohibition«: Sie wachen über die Einhaltung der drei Drogenkonventionen der Vereinten Nationen, die nahezu jeder Staat dieser Erde unterzeichnet hat. Die erste Konvention (»Single Convention on Narcotic Drugs«, 1961), widmete sich den Drogenpflanzen Cannabis, Opium und Koka, sie verbietet deren Gebrauch außer für medizinische Zwecke und zur Forschung. Auch das deutsche Betäubungsmittelgesetz steht mit ihr im Einklang.

Mit Zuckerbrot und Peitsche wurden die Staaten in Asien, Afrika, sowie in Mittel- und Südamerika, wo sich die traditionellen Anbauländer besagter Pflanzen finden, in Schach gehalten. Vor allem die USA, aber auch andere Hardlinerstaaten wie Schweden und Japan, machen die Zahlung von Entwicklungsgeldern davon abhängig, ob der jeweilige Empfängerstaat brav gegen den Drogenpflanzenanbau vorgeht. Zudem gibt es militärische Hilfe, etwa um mit Chemikalien aus der Luft gegen die Pflanzen vorzugehen. Gleichzeitig kommt den Drogenpflanzen eine strategische Bedeutungen in offenen Kriegen und Bürgerkriegen zu, siehe etwa Vietnam, Afghanistan und Kolumbien. Leidtragende sind vor allem die Bewohner der Anbauländer, die auch von althergebrachte Heil- und Kultmitteln lassen mussten; vor allem aber die Bäuerinnen und Bauern. Man stelle sich vor, der Anbau von Wein oder Hopfen würde hierzulande für illegal erklärt.

Dass Uruguay aus diesem Teufelskreis ausbricht, ist ein wichtiger Schritt mit Vorbildcharakter. Richtigerweise sagt Julio Calzada, Generalsekretär des Drogenrats von Uruguay: »Eine Gesellschaft ohne Drogen ist eine Utopie. Es ist besser den existierenden Markt zu regulieren, als ihn der organisierten Kriminalität zu überlassen.«

Seit Jahren wird auch in anderen Ländern darüber diskutiert, aktuell etwa auch in Marokko und schon länger in Mexiko. Das Land ist derzeit wohl eines der größten Leidtragenden des Dogmas der Drogenprohibition. Im Norden Mexikos tobt eine Art niedrigschwelligen Bürgerkrieg mit zehntausenden von Opfern. So engangiert sich auch der ehemalige mexikanische Staatspräsident Vincente Fox, seit er nicht mehr Staatsoberhaupt ist, für die Legalisierung von Cannabis in seinem Land.

Die Forderung, Uruguay den Friedensnobelpreis zuzusprechen, wie er im Guardian laut wurde, mag man aus symbolpolitischen Gründen unterstützen. Tatsächlich könnte 2013 der Wendepunkt im irrsinnigem Krieg gegen die Drogen bedeuten. Erst legalisieren, regulieren und besteuern zwei Bundesstaaten in den USA Cannabisanbau, -handel und -konsum und jetzt eben die Entscheidung in Uruguay. An das Märchen, dass der Krieg gegen die Drogen, zu gewinnen sei, wollen immer weniger glauben. Das wurde auch in einem Anfang Dezember geleakten Dokument deutlich: Es zeigt klare Meinungsverschiedenheiten innerhalb der UN-Mitgliedsstaaten, ob der »War on Drugs« fortgesetzt werden soll.

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