Ein Denkmal für die Berliner Schrippe

Aus einem sechs Tonnen schweren Sandsteinbrocken entsteht ein Riesenbrötchen

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Berliner Schrippe wird zum Denkmal: sechs Tonnen schwer und aus Sandstein gehauen. Der Steinmetz Michael Spengler will dem wichtigsten Backerzeugnis der Hauptstadt ein Kunstwerk widmen. Im August soll das gelb-braune Gebilde vor der »Schrippenkirche« an der Ackerstraße in Wedding seinen Standort bekommen. Vor mehr als 100 Jahren wurden dort jeden Sonntag kostenlos Brötchen an Arme verteilt. Echt muss sie aussehen - so richtig zum Reinbeißen: Nicht zu breit und nicht zu hoch und etwas unförmig. Handgemacht eben. Die Kerbe in der Mitte sollte leicht aufgebrochen sein. Auf keinen Fall aber geradlinig verlaufen. »Wir wollen, dass unser Kunstwerk auf den ersten Blick als Schrippe zu erkennen ist«, sagt Michael Spengler. Er meißelt zusammen mit dem Bildhauermeister Ole Meinecke das Riesenbrötchen. Als Vorlage dienen den Künstlern natürlich ein paar echte Berliner Schrippen. Die haben sie bei zwei verschiedenen Bäckern gekauft: in Mitte und in Wedding. Ein bisschen aufgeplustert und labberig waren die einen, scharf gebacken und knusprig die anderen. Doch der Geschmack ist Spengler und Meinecke in diesem Fall egal. »Uns geht es nicht um Ost- oder Westschrippe, sondern um die Schrippe als solche«, betont der Steinmetz. Wichtig sei einzig und allein das Aussehen. Deshalb hat Spengler schon mal ein kleines Modell gefertigt. Das liegt jetzt auf einem Tisch in seiner Freiluftwerkstatt auf dem Gelände der Kapelle der Versöhnung an der Bernauer Straße. Gleich daneben hat er noch drei essbare Teigwaren platziert. Die werden jetzt immer wieder mit dem Sandsteingebilde verglichen. Obwohl die Figur noch lange nicht fertig ist, wirkt sie schon in der Entstehungsphase sehr echt. Aber das macht vor allem das Material. Gelblich-braun, wie frisch gebacken, schimmert der Stein. Vielleicht läuft jetzt schon den Touristen bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Hunderte besuchen täglich den geschichtsträchtigen Ort, an dem einst die Berliner Mauer verlief. Und nicht wenige schauen den Künstlern eine Weile beim Arbeiten zu und haben von weitem längst das Riesenbrötchen erkannt. Einige wollen wissen, wie man auf so eine verrückte Idee kommt. Irgendwie liegt das Spengler vielleicht in den Genen. Denn er kennt sich aus mit Brötchen. Schließlich stammt er väterlicherseits aus einer traditionsreichen Bäckerfamilie. Als Kind war er oft in der Backstube seines Vaters. Vor 15 Jahren zog Michael Spengler nach Berlin und stellte fest: Brötchen backen können die Hauptstädter prima. »Die Qualität ist den Berlinern geradezu heilig«, sagt der Steinmetz. Das eigentliche Wahrzeichen der Stadt müsste die Schrippe sein, nicht der Bär, findet der im West-Harz aufgewachsene Künstler. Immerhin rund 1,7 Millionen Brötchen in etwa 100 verschiedenen Sorten werden jeden Tag in der Hauptstadt gebacken, schätzt die Bäcker-Innung. Dennoch hat seine kuriose Denkmal-Idee einen ernsten Hintergrund. Im August, nachdem das benachbarte Roggenfeld abgeerntet ist, wird das Riesenbrötchen zur naheliegenden »Schrippenkirche« in der Ackerstraße gebracht, die inzwischen als Alten- und Pflegeheim dient. »Eine Super-Idee, auf diese Weise an die Historie zu erinnern«, findet Manfred Fischer vom Vorstand des Vereins »Schrippenkirche«. Nach der Riesenschrippe will Michael Spengler aus den Sandsteinresten noch viele kleine Brötchen »backen«. Über die spätere Verwendung muss der Vorstand allerdings erst noch beraten. Es wäre denkbar, damit künftig verdienstvolle Leute zu ehren, sie Sponsoren zu überreichen oder zu verkaufen.
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