Reich-Arm-Schere klafft enorm

Diakonie-Chefin kritisiert zum Abschied die wachsenden sozialen Gegensätze in der Stadt

  • Yne Jennerjahn 
und Lukas Philippi
  • Lesedauer: 2 Min.
Mehr Bedürftige bei der Berliner Tafel, mehr Sozialberatungen und mehr Obdachlosigkeit: Diakonie-Chefin fordert die Politik auf, vor der Realität nicht die Augen zu verschließen.

Die scheidende Berliner Diakonie-Chefin Susanne Kahl-Passoth hat die wachsenden sozialen Gegensätze in Berlin kritisiert. »Die Schere zwischen Arm und Reich geht enorm auseinander.« Deutlich werde dies etwa an der zunehmenden Zahl von Bedürftigen, die zu den Ausgabestellen der Berliner Tafel kommen, sagte Susanne Kahl-Passoth dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

Auch in die Sozialberatungsstellen der Diakonie kämen vermehrt junge Familien. »Die Menschen werden durch Hartz-IV in die Armut getrieben«, sagte Kahl-Passoth. »Die Zahl der prekär Beschäftigten ist enorm angestiegen. Die Notunterkünfte der Stadtmission verzeichnen mehr Obdachlose.«

Die 65-jährige Theologin scheidet zum Ende des Jahres aus dem Amt. Sie stand in den vergangenen elf Jahren an der Spitze des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der Diakonie-Dachverband repräsentiert mit 438 selbstständigen Trägern von fast 1500 Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen rund 52 000 Beschäftigte.

Die Sozialexpertin forderte die Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft auf, nicht die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. »Die Stadt hat sich verändert. Das sehe ich aber nicht, wenn ich mit der schwarzen Limousine durch die Stadt fahre, sondern nur wenn ich zu den Menschen hingehe«, sagte Kahl-Passoth. Politik müsse sich »mehr mit Realitäten beschäftigen und Bodenhaftung bewahren«. »Den Entscheidern fehlt es gelegentlich an Mitgefühl.«

Kritik äußerte Kahl-Passoth auch an den niedrigen Hartz-IV-Sätzen. »Mit den Transferleistungen des Sozialstaates kommen die Hartz-IV-Bezieher auf Dauer nicht über die Runden.« Es sei zynisch, dass Kunden in den Jobcentern schon auf die kostenlosen Lebensmittelabgaben der Berliner Tafel hingewiesen werden. »Eigentlich ist der Staat dafür zuständig, dass die Menschen ausreichend zum Leben haben. So etwas wie Tafeln dürfte es eigentlich nicht geben,« sagte die langjährige Diakonie-Chefin.

Susanne Kahl-Passoth wird offiziell am 14. Januar 2014 in einem Gottesdienst in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg verabschiedet. Dabei soll auch ihre Nachfolgerin Barbara Eschen ins Amt der Diakoniedirektorin eingeführt werden. epd/nd

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