Verpfuschtes Erbe

Die Mieter in der Frankfurter Allee wehren sich gegen Unesco-Initiative

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 3 Min.
Die »Arbeiterpaläste« in der Frankfurter und Karl-Marx-Allee sollen Unesco-Weltkulturerbe werden – und verfallen weiter. Für den Mieterrat ist das Welterbeverfahren eine Farce.

Meterhohe Portale, Säulen, glänzende Fassaden, alles entlang einer Allee, die breiter ist als der Champs-Élysées – vom Strausberger Platz bis hinter das Frankfurter Tor zieht sich eine der prachtvollsten Straßen Berlins. Nicht umsonst würden viele gern die ehemalige »Stalinallee« als Weltkulturerbe sehen.
Hinter den schimmernden Kachelfronten der Häuser sieht es anders aus. In Florian Peters` Dreier-WG färbt Schimmel die Zimmerecken grau. Durch die Holzfenster aus den 1970ern strömt ein kühler Zug, unverkleidete Wasserleitungen laufen durch das fenster- und abzugslose Bad. Peters wohnt seit fünf Jahren in der Frankfurter Allee 7. Das Laminat haben er und seine Mitbewohner selbst verlegt, haben auch selbst tapeziert. Statt der von der Hausverwaltung angekündigten Modernisierung habe es nur Schönheitsreparaturen gegeben.

»Hier wurde wahnsinnig viel gepfuscht«, sagt Peters. »Und wir sind noch gut dran.« Der Historiker wohnt im ersten Stock. »Die Menschen in den oberen Etagen haben viel mehr Schwierigkeiten.« Dort zieht es besonders, das Schimmelproblem lässt sich kaum mehr beherrschen. Die Wände sind immer feucht, hässliche Wasserflecken übersäen die Decken. Längst hätte das Dach saniert werden müssen. Nur bezahlen will dafür keiner.

2012 setzte der Senat die Karl-Marx-Allee und die Frankfurter Allee überraschend auf die »Tentativliste« des Bundes. Mehrere Jahre wird es dauern, bis aus ihr die endgültigen Vorschläge für den Status eines Weltkulturerbes hervorgehen, den die Unesco vergibt. Von politischer Seite wird kräftig für die Bewerbung getrommelt, angeführt von den ehemaligen Kultursenatoren Volker Hassemer (CDU) und Thomas Flierl (LINKE). Die Mieter, die in dem zukünftigen Welterbe wohnen, werden allerdings nicht einbezogen.

Für Florian Peters und den Mieterrat Frankfurter Allee, in dem er sich engagiert, ist das Weltkulturerbe-Verfahren eine Farce. Erst sorge der Senat mit seiner Privatisierungspolitik dafür, dass die Mietwohnungen in Kapitalanlagen umgewandelt und die Mieter rücksichtslos aus ihren Wohnungen verdrängt werden. »Und nun will er sich zur Belohnung auch noch das Label ›Weltkulturerbe‹ anheften!«, beklagt Peters. Der Mieterrat ist nicht gegen die Welterbe-Initiative – aber dagegen, dass sie die Verantwortlichen als Etikett benutzen, während sich keiner für den Zustand der Gebäude und die Bewohner interessiert. Ein faires und ehrliches Verfahren müsse die soziale Realität mitreflektieren – gerade auch, weil gesellschaftliche Fragen bei der Entstehung der »Arbeiterpaläste« eine große und entscheidende Rolle gespielt haben.

In den frühen 1990ern wurden die Gebäude im Zuckerbäcker-Stil privatisiert. Auch beim Abschnitt G Nord, der Frankfurter Allee 5 bis 27 plus dem Eckgebäude in der Proskauerstraße 38, folgte daraufhin eine jahrelange Eigentümer-Rochade. Schließlich übernahm die Home Center Liegenschaften I GmbH den Komplex. Seit zwei Jahren betreibt sie eine umfassende Entmietungsstrategie. Dafür zog die Home Center alle Register: juristische Drohungen, unbegründete Kündigungen, Schikanen. Zwei Monate lang wurde der Fahrstuhl abgestellt. »Gerade für die Älteren im Haus war das furchtbar.« Nachdem der »Berliner Kurier« eine Skandalgeschichte darüber verfasste, lief der Lift plötzlich wieder. Egal ob Betriebskostenabrechnung oder Mieterhöhung: »Wir müssen jede Forderung juristisch überprüfen, ständig versucht man, uns über den Tisch zu ziehen«, erzählt Peters.

Mittlerweile ist die Umwandlung der Einheiten in Eigentumswohnungen fast abgeschlossen. Noch 20 Wohnungen von 200 sind übrig. Viele sind gegangen, aber: »Fast alle, die sich gewehrt haben, konnten bleiben.« Die Probleme gehen jetzt mit den neuen Eigentümern weiter. Eigentlich wurde ihnen vertraglich zugesichert, die Grundmodernisierung werde bis Ende 2013 abgeschlossen. Die Gerüste wurden abgebaut, fertig sind aber weder die Kachelfronten noch die Fenster. Wer nun verantwortlich ist für die Wiederherstellung der einstigen Prachtbauten – das wisse keiner, sagt Peters.

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