Anschlag mit Pyrotechnik

Eingangstüren von Asylheim zerstört

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Silvesternacht hatten Unbekannte zwei Eingangstüren des Flüchtlingsheimes in Hellersdorf von außen zerstört. Nach Polizeiangaben beobachten Wachleute gegen 1.20 Uhr zwei Unbekannte dabei, wie sie von außen Pyrotechnik mit Klebebändern an den Eingangstüren befestigten und anschließend zündeten. Die Polizei war vom Wachschutz und von anonymen Anwohnern informiert worden. Die Polizei geht von einem politisch motivierten Anschlag aus.

Die Eingangstür des Heimes war noch am Mittag des Neujahrstages zersplittert. Solche Anschlagsspuren trug auch eine Eingangstür des benachbarten Gebäudes, dessen Sanierung kurz vor dem Abschluss steht. In dem Heim herrschte Stille. Nur aus einem Fenster tönte leise arabische Musik. Ein Bosnier verließ das Haus. Er habe in der Nacht nichts bemerkt, sagte er.

Ein Tschetschene dagegen hat die nächtlichen Ereignisse mitbekommen. »Rassismus gibt es nicht nur im Kaukasus, sondern auch in Deutschland«, sagt er leise. »Das habe ich nicht gewusst, bevor ich hierher kam. Ich bin vor dem Rassismus aus dem Kaukasus geflohen.« Den Mann irritiert eine Aufschrift in der Nähe der U-Bahn. Dort steht »Gemeinsam gegen Rassismus«. Der Tschetschene versteht nur das Wort »Rassismus« und meint, die Losung richte sich gegen ihn.

Die Stimmung der Anwohner gegenüber den Flüchtlingen ist gespalten. Es gibt Hilfsbereitschaft. Der Tschetschene weiß das und zeigt auf die schwarze Winterjacke, die er trägt. Die habe er neben allerlei Hausrat geschenkt bekommen. Am Neujahrsmittag scheinen allerdings nur solche Nachbarn unterwegs zu sein, die den Heimbewohnern weiterhin feindlich gegenüberstehen. Ein junger Mann spuckt verächtlich auf den Boden, als der Tschetschene an ihm vorbeiläuft. »Von einem Anschlag haben wir nichts gemerkt«, sagen zwei Rentnerinnen aus dem gegenüberliegenden Wohnhaus. »Aber hätten wir das bemerkt, hätten wir auch nichts dagegen gehabt. Denn es leben einfach zu viele Fremde hier.« Eine Mitvierzigerin fällt den Rentnerinnen ins Wort: »Denen wird alles gegeben, und unsere eigenen Leute müssen auf der Straße sehen, wie sie klarkommen. Da muss man sich doch nicht wundern, wenn mal was passiert.«

Gegen das Flüchtlingsheim hatte 2013 eine »Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf« anonym im Internet gehetzt. Der Verfassungsschutz erkannte in ihr sowohl Personal als auch Gedankengut der NPD. Nachdem die Polizei gegen die Macher der Seite zu ermitteln begann, wurde die Internetseite gelöscht und stattdessen gibt es eine sehr ähnliche Seite der »Bürgerbewegung Hellersdorf«, die ebenfalls gegen Asylsuchende hetzt. Die hatte in der Silvesternacht über die Anschläge berichtet, zeitnah und mehrere Stunden eher als die Polizei per Presseerklärung. Offiziell distanziert sich die Bürgerbewegung von dem Anschlag. Das größere Ärgernis für die Rechten war allerdings etwas anderes: Heimbewohner hatten mit einem Feuerwerk ins neue Jahr hinein gefeiert. Die Pyrotechnik haben sie, so folgerten die Rechten auf ihrer Website von Geld gekauft, das ihnen »zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgezahlt wurden.« Fazit der Bürgerbewegung: Man wünsche, »dass die Politik endlich kapiert, dass das Heim in unserem Kiez nicht erwünscht ist«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.