Handschlag besiegelt Pankower Tor
Investor einigt sich mit Senat und Bezirk auf in Teilen umstrittenes Bauprojekt
Anderthalb Jahre zog sich das »Werkstattverfahren« hin, bei dem sich Senat, Bezirk und der Eigentümer des ehemaligen Pankower Rangierbahnhofs auf ein Bebauungskonzept einigen wollten. Mitte Dezember schließlich einigten sich Senat und Grundstückseigentümer, der Investor Kurt Krieger, auf einen Kompromiss: Für Kriegers Zusage, auf dem Gelände 750 Wohnungen zu bauen, gibt das Land Berlin seine Bedenken gegen die Errichtung eines Einkaufzentrums auf. Auf einem letzten Treffen der Arbeitsgruppe am 10. Januar soll ein Fazit aus 17 Monaten Werkstattgesprächen gezogen werden.
Für den Pankower Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) steht das Ergebnis des Werkstattverfahrens schon fest. Das knapp eineinhalb Jahre dauernde Verfahren, so der Stadtrat auf der letzten Sitzung des Pankower BVV-Ausschusses für Stadtentwicklung, habe für die Entwicklung des Geländes keine belastbaren Ergebnisse gebracht. Weder sei ein Leitbild für die städtebauliche Entwicklung geschaffen worden, noch habe das Verfahren zu einer größeren Rechtssicherheit für die Bauplanung beigetragen.
Das Gelände zwischen dem S/U-Bahnhof Pankow und dem S-Bahnhof Heinersdorf wurde im Jahr 2009 von Kurt Krieger erworben, der dort einen Möbelgroßmarkt, einen Möbeldiscounter sowie eine Shoppingmall auf 30 000 Quadratmetern errichten wollte. Außerdem sahen Kriegers Planungen einen kleinen Park vor. Auch der denkmalgeschützte Rundlokschuppen am S-Bahnhof Heinersdorf soll saniert und danach kulturellen Zwecken zur Verfügung stehen.
Im Mai 2011 stimmte die Bezirksverordnetenversammlung - mit Ausnahme der Grünen - den Vorstellungen Kriegers vom Grunde her zu. Ausschlaggebend dafür war, dass Krieger zusagte, dem Bezirk ein Grundstück für eine Schule zu überlassen, sowie in seinen Planungen eine Straßenbahntrasse zu integrieren. Darüber hinaus sollte das Planungsverfahren mit einer größtmöglichen Bürgerbeteiligung vonstatten gehen.
Ausgebremst wurde der Fortgang der Planungen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter der damaligen Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Während gegen die Fachmärkte keine Einwände bestanden, wurde mit Hinweis auf das Zentrenkonzept Senats die Größe des geplanten Einkaufscenters moniert, das nach Ansicht der Landesverwaltung die Kaufkraft aus dem Pankower Zentrum in einem Maße abzuziehen drohe, dass eine Verödung der Alt-Pankower Mitte drohe.
Nach den Abgeordnetenhauswahlen im September 2011 und dem damit verbundenen Wechsel an der Spitze des Stadtentwicklung-Ressorts schien Bewegung in die Sache zu kommen. Zwar hatte sich der neue Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) Anfang Januar 2012 ebenfalls gegen das Einkaufszentrum ausgesprochen, doch Mitte des Jahres einigten sich die Beteiligten schließlich auf ein »Werkstattverfahren«, bei dem »unter Federführung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, die stadtplanerische Zielstellung für das Areal des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow in einem städtebaulichen Rahmenplan erarbeitet« werden sollte. Kriegers Zustimmung, anstelle des des von ihm favorisierten Parks Wohnungen bauen zu lassen, dürfte dabei keine unwesentliche Rolle gespielt haben.
Als im Juni 2013 ein vom Senat in Auftrag gegebenes Einzelhandelsgutachten zu dem Schluss kam, dass die Krieger›sche Shopping-Mall keine der erwarteten negativen Auswirkungen auf den umliegenden Einzelhandel haben würde, änderte dies nicht etwa die Haltung der Senatsverwaltung - vielmehr wurde das Gutachten eilends in die Schubladegelegt. Doch da blieb es nicht. Auf bisher unbekannten Wegen gelangte das Papier an die Öffentlichkeit und Kurt Krieger startete eine kleine Medienoffensive.
Kirchners Eingangs erwähnte Einschätzung der Werkstattgespräche wird von den als »Beobachter« beim Werkstattverfahren zugelassenen Pankower Ausschussvorsitzenden Wolfram Kempe (LINKE, Verkehr) und Roland Schröder (SPD, Stadtentwicklung) geteilt. Auf der am 9. Januar stattfindenden nächsten Sitzung des Pankower Stadtentwicklungsausschusses wolle man ein »Votum separatum« des Bezirks zum Abschluss des Werkstattverfahrens abzugeben. Wolfram Kempe: »Wir werden es nicht hinnehmen, dass das Ergebnis des Verfahrens von Seiten der Senats schöngeredet wird.«
Unter Verwendung von auf dem Blog www.prenzlberger-stimme.de veröffentlichten Texten.
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