Schwerin meldet 14 Todesfälle an das BKA
Innenminister Caffier rückt von bisheriger Position zu möglichen Nazi-Morden ab - LINKE wirft dem CDU-Politiker Lavieren vor
Mecklenburg-Vorpommerns Innenministerium hat dem Bundeskriminalamt für eine Untersuchung zu möglichen Todesopfern rechter Gewalt 14 Fälle aus den Jahren 1990 bis 2011 gemeldet. Die Liste wurde Anfang dieser Woche dem BKA übersandt, wie eine Sprecherin des Innenministeriums am Donnerstag in Schwerin sagte.
Bei vier Todesopfern sei ein rechtsextremistischer Hintergrund der Taten bereits nachgewiesen worden, dazu gehöre auch der Mord an Mehmet Turgut in Rostock, der dem NSU zugeschrieben wird. Bei weiteren fünf aufgeklärten Tötungsdelikten sei zwar kein rechtsextremistisches Motiv nachgewiesen worden, doch könnten sich zwischen den Bundesländern Querverbindungen zu anderen Fällen ergeben. Auf der Liste stehen zudem fünf der 75 bislang ungeklärten Morde aus den Jahren 1990 bis 2011 im Nordosten. Das Innenministerium schließt nicht aus, dass sich dort neue Ermittlungsansätze ergeben.
Nach dem Auffliegen der NSU-Terroristen und dem Bekanntwerden zahlreicher Ermittlungspannen hatten die Innenminister der Länder 2012 beschlossen, bestimmte Fälle neu auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund hin zu überprüfen. Einbezogen wurde dabei auch eine Liste mit 137 Opfern, die Medien veröffentlicht hatten. Wissenschaftler legten für die aktuelle BKA-Untersuchung einen Kriterienkatalog fest, der weiter gefasst ist als die bisher gültigen Kriterien für die Feststellung eines rechtsextremistischen Tatmotivs, erklärte das Schweriner Innenministerium. Bislang musste demnach sowohl eine bestimmte Begehensweise der Tat vorliegen als auch das Opfer bestimmte Kriterien erfüllen, wie sexuelle Orientierung, Ethnie, Religion oder Obdachlosigkeit. Für die jetzt laufende Überprüfung genüge das Vorliegen eines Kriteriums, das bisher für sich allein genommen keine Einstufung als politisch motivierte Tat zugelassen habe.
Das BKA überprüft den Angaben zufolge bundesweit 745 Fälle. Ergebnisse werden im Lauf dieses Jahres erwartet. Das Bekanntwerden der Liste aus Schwerin für das BKA sorgte am Donnerstag für Irritationen, denn im Mai 2013 hatte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) im Landtag erklärt, dass es neben den vier bekannten keine weiteren Todesfälle im Land mit rechtsextremistischem Hintergrund gebe.
Die LINKE im Landtag reagierte verschnupft über die »Kehrtwende« des Ministers, wie ihr innenpolitischer Sprecher Peter Ritter das Vorgehen nannte. »Sie reiht sich ein in das anhaltende Lavieren im Aufklärungsprozess der NSU-Mordserie und der diesbezüglichen Verantwortung der Sicherheitsbehörden im Land.« Es sei bedauerlich, dass Caffier erst auf Druck von außen agiere. Die Linksfraktion werde die Sache im Innenausschuss zum Thema machen. dpa/nd
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