Senat macht Front gegen Volksbegehren Tempelhofer Feld
Kontroverse im Abgeordnetenhaus über Umgang mit der aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreichen Initiative / Grüne fordern Kompromiss
Dass das Volksbegehren »100 Prozent Tempelhofer Feld« genügend gültige Signaturen gesammelt hat, um einen berlinweiten Volksentscheid zu erzwingen, bezweifelt kaum noch jemand - auch wenn das offizielle Ergebnis der Prüfung der Landeswahlleiterin noch aussteht. Auch der Senat und die Abgeordneten im Berliner Landesparlament gehen offenbar von einem Erfolg aus. Am Donnerstag diskutierten sie in einer emotionalen Debatte deshalb bereits die Schlussfolgerungen aus einem möglichen Volksentscheid.
Der Kurs des Senats in der Frage über die Zukunft des Tempelhofer Feldes ist indes klar: Rot-Schwarz wird Front gegen das Volksbegehren machen, dessen Ziel es ist, dass es keinerlei Veränderungen auf der riesigen Freifläche des ehemaligen Flughafens geben darf. »Die Stadt wächst, das kann man gut oder schlecht finden, aber man es nicht wegbeschließen«, erklärte Bausenator Michael Müller (SPD), der einen fulminanten Redeauftritt hinlegte und sich auch massiv gegen Werbematerialien der Initiative »100 Prozent Tempelhofer Feld« zur Wehr setzte. In diesen heißt es laut Müller, dass der Senat die gesamten Ränder des Feldes bebauen will. Das sei »keine seriöse Auseinandersetzung«. Aus der Sicht des Bausenators geht es im Kern darum, ob dringend benötigte Wohnungen, Kitas und Quartiere in einer wachsenden Stadt gebaut werden oder nicht. »In guten, zentralen Lagen keine bezahlbaren Wohnungen zu wollen, ist eine unsoziale Haltung«, betonte Müller.
Unterstützung bekam der Senator für seine Linie vom Koalitionspartner, auch wenn in den Medien zuvor spekuliert worden war, dass die CDU die Sozialdemokraten als Retourkutsche für das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz im Regen stehen lassen könnte. Zwar erklärte der Vizefraktionschef der Union, Stefan Evers, dass vor einem möglichen Volksentscheid keine Tatsachen geschaffen werden dürften. Doch eine Unterstützung des Anliegens der Bürgerinitiative gab es auch seitens der Union nicht. »Auf dem Tempelhofer Feld keinen Stein mehr umzudrehen, das ist mit uns nicht zu machen«, sagte Evers.
Das sehen allerdings auch alle Oppositionsparteien so. Selbst die Piraten teilen nicht vollständig die Ziele des Volksbegehrens, weil das bedeuten würde, das selbst der um das Gelände laufende Zaun nicht abgebaut werden dürfte.
Doch auch wenn keine Partei das inhaltliche Anliegen der Initiative teilt, zieht die Opposition andere Konsequenzen als Rot-Schwarz aus dem Volksbegehren. »Kann es nicht einen dritten Weg zwischen Zustimmung und Ablehnung des Volksbegehrens geben?«, brachte die Fraktionschefin der Grünen, Antje Kapek, einen Kompromiss ins Spiel. Denn nicht nur der Senat, sondern auch die Bürgerinitiative müsse sich bewegen. Die Grünen schlagen einen Allparteien-Gesetzentwurf vor, der alternativ beim Volksentscheid abgestimmt werden könnte.
Auch die Linkspartei kritisierte, dass es jetzt »kein einfaches Weiter so« geben dürfe. »Das Volksbegehren ist ein wichtiger Anstoß für eine neue Planungskultur«, sagte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN, Katrin Lompscher. Und: »Die künftige Planung darf nicht mehr in kleinen Zirkeln stattfinden.«
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