Brandstifter, nicht Biedermann
Berliner NPD setzt trotz drohenden Parteiverbots weiter auf Kooperation mit militanten Nazis
»In ihren Reden würdigten die Teilnehmer die einmaligen Leistungen der ungarischen und deutschen Soldaten sowie der europäischen Freiwilligen der Waffen-SS, die noch 1945 in schwersten Abwehrschlachten versuchten, die plündernden, mordenden und vergewaltigenden Bolschewistenhorden der Roten Armee von ungarischer, deutscher und europäischer Heimaterde fernzuhalten«, berichtet Eckart Bräuniger auf der Internetseite des Berliner Landesverbandes der NPD über eine neonazistische Gedenkveranstaltung in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Dieses Zitat aus der geheimen Materialsammlung der Bund-Länder-Kommission zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens dient dem Beleg des positiven Bezuges auf nationalsozialistische Organisationen.
Bräuniger prägte über 20 Jahre vor allem in Berlin die Neonaziszene, von 2005 bis 2008 war er sogar NPD-Landesvorsitzender. Der Landesverband fällt bis heute vor allem dadurch auf, dass er nahezu deckungsgleich mit dem militanten Spektrum der sogenannten Autonomen Nationalisten ist und er fällt aktuell dadurch auf, dass er keinen Hehl daraus macht, den vom kürzlich geschassten NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel propagierten Kurs der »seriösen Radikalität« abzulehnen.
In dem Verbotsantrag der Bundesländer gegen die rechtsextreme NPD, der »nd« vorliegt, spielen über Eckart Bräuniger hinaus weitere Berliner NPD-Politiker eine Rolle: So beispielsweise der Spitzenkandidat zur Europawahl, Udo Voigt, der gegenwärtige NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke, aber auch ältere Neonazi-Kader wie Frank Schwerdt oder Uwe Meenen.
Die Gewalt von Neonazis nahm im vergangenen Jahr dramatisch zu: Insgesamt verzeichneten die Behörden in einer vorläufigen Aufstellung 72 politisch-motivierte Gewaltdelikte mit einem rechtsextremen Hintergrund in Berlin – 2012 waren es noch 53. Besonders beunruhigend war die Zunahme der Körperverletzungen um 20 auf insgesamt 57 Fälle.
Rund 1380 Personen zählt der Verfassungsschutz in Berlin zum rechtsextremen Spektrum, davon seien »620 gewaltorientiert«, so Verfassungsschutzchef Bernd Palenda. Im besonderen Fokus stehen 15-20 Anführer und deren Netzwerk von 140 sogenannten Autonomen Nationalisten, die sich immer stärker bei der NPD organisieren.
Martin Kröger
Immer wieder finden sich Berliner NPD-Funktionäre vor Gericht wieder. So wurde beispielsweise im August 2007 der immer noch amtierende Vorsitzende der Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) in Berlin, Björn Wild, wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer elfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er war dabei, als Neonazis am Rande eines Aufmarschs Gegendemonstranten angriffen.
Erst kürzlich sorgte der aktuelle NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke für Schlagzeilen. Anfang Dezember 2013 wurde er wegen des Vertriebs volksverhetzender CDs ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Termin für den nächsten Prozess steht bereits fest. Am morgigen Dienstag verhandelt das Berliner Landgericht über den Widerspruch des NPD-»Heimführungsbeauftragten« Jan Sturm gegen eine einstweilige Verfügung, die ihm untersagt, eine türkischstämmige Bundestagsabgeordnete der LINKEN zum »Heimflug« aufzufordern. Die Berliner NPD hatte im zurückliegenden Wahlkampf mehreren Kandidaten mit Einwanderungsgeschichte Briefe mit einer solchen Aufforderung geschickt.
Besonders im Fokus der NPD stehen bereits seit letztem Sommer in mehreren Bezirken neu eröffnete Flüchtlingsunterkünfte. In der vergangenen Woche startete Schmidtke eine Petition zur Schließung des Asylheims in Hellersdorf. Im Petitionstext heißt es, offizielle Statistiken würden einen unverhältnismäßig starken Anstieg der Kriminalitätsrate in der Nähe von Flüchtlingsheimen belegen. Solche Behauptung weist die Polizei regelmäßig als falsch zurück. »Während Jugendeinrichtungen und Obdachlosenvereine schließen müssen, bitten die Herren Komoß und Czaja im Asylantenheim zum Weihnachtsfest«, schließt die Petition.
Gemeint sind Marzahn-Hellersdorf Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) und Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Czaja steht besonders im Blickfeld der anonym agierenden »Bürgerbewegung Hellersdorf«, die nach Einschätzung von Experten von der Berliner Neonaziszene gesteuert wird. Auf der Facebook-Seite der Initiative wird Czaja als »Hauptverantwortlicher des Asyldesasters« angeprangert, der »mit ehemaligen SED-Kadern Hand in Hand Politik gegen das deutsche Volk« betreibe. Die »Bürgerbewegung« bekannte sich dazu, in der Nacht zum vergangenen Donnerstag das Bürgerbüro Czajas in Wuhletal mit einem Transparent verhängt zu haben.
Linksfraktionschef Udo Wolf verurteilte diese »neuerlichen Auswüchse fremdenfeindlicher Hetze.« Angriffe und Drohungen gegen Heimbewohner, Unterstützer und Politiker müssten umgehend verfolgt und geahndet werden. Unterdessen verschwand am Sonnabend gleichzeitig mit der Internetseite der Hellersdorfer »Bürgerbewegung« und weiteren »Nein zum Heim«-Initiativen auch die Facebook-Präsenz der Berliner JN aus dem Netz. Via twitter wurden »technische, strategische und private Gründe« angeführt. Ein weiter Hinweis auf die zentrale Steuerung der Proteste durch die NPD.
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