Gericht: Drohbriefe gehen gar nicht
Richter bestätigte Einspruch der Abgeordneten Azize Tank gegen rechtsextreme NPD-Hetze
»Hier ist die Grenze überschritten, hier muss Schluss sein«, kommentierte gleich zu Beginn der gestrigen Gerichtsverhandlung der Vorsitzende Richter die verbale Attacke jenes Herrn Jan Sturm, der sich von seiner Berliner NPD den Titel »Heimführungsbeauftragter« verleihen ließ. Der »Beauftragte« hatte vor der letzten Bundestagswahl Drohbriefe an die Privatadressen verschiedener Kandidaten gesandt. Darin fordert der Neonazi Politiker von Linkspartei, Grünen oder Piraten auf, das Land zu verlassen und in ihre angebliche Heimat zurückzukehren. Geschickt formuliert werden Begriffe wie »Deportation« vermieden. Abgebildet ist ein »fliegender Teppich« mit Figuren, die dem Ausländerklischee entsprechen, beigelegt ein fiktives Rückflugticket. Grüne und LINKE erstatteten Mitte September 2013 bei der Berliner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die NPD.
Azize Tank, jetzt Abgeordnete für die LINKE im Bundestag, zuvor Migrationsbeauftragte von Charlottenburg Wilmersdorf, fühlte sich von dem Schreiben direkt angegriffen und rassistisch diskriminiert, und zog deswegen vor Gericht. Am Dienstag nun wertete die 27. Zivilkammer des Landgerichts das NPD-Pamphlet als Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Bundestagsabgeordneten. Das Gericht erklärte allerdings nicht grundsätzlich den Brief als Nazi-Hetze für illegal. »Man darf in diesem Land die dümmsten Sachen vertreten«, meinte der Richter. Vieles sei hierzulande durch die Meinungsfreiheit gedeckt, doch Briefe direkt an Personen zu schicken und sie zu bedrohen, gehe gar nicht.
Der NPD-Anwalt versuchte nicht, große Gegenwehr zu leisten. Sein Mandant war der Verhandlung wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit ferngeblieben, so musste sein Rechtsanwalt wenigstens das Gesicht wahren. Die Politikerin sei ja nicht irgendeine Bürgerin, sondern sehr engagiert für Integration und Multikulti, argumentierte er. Deshalb müsse sie solche Briefe auch aushalten. Die Zeit vor der Bundestagswahl sei nun mal eine besondere Situation.
Doch er wisse ja, wie »die Kammer tickt«, deshalb sei ihm schon klar gewesen, dass das Gericht gegen die NPD entscheiden werde. Seine Hoffnung bleibt, dass das Bundesverfassungsgericht den Fall anders sieht und im Namen der Meinungsfreiheit zugunsten der NPD entscheidet. Das kann aber noch Jahre dauern. Für das Berliner Gericht war es jedoch ein klarer Fall von Bedrohung. Es verwarf den NPD-Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 8. Oktober letzten Jahres.
Azize Tank erklärte nach der Verhandlung: »Ich fühle mich persönlich beleidigt und bedroht, wenn ich von einem so genannten Heimführungsbeauftragten zur freiwilligen Ausreise aufgefordert werde, um nicht transportiert zu werden.« Gerade die Begriff der Heimführung und des Transports seien für immer mit dem Massenmord an den Juden Europas verbunden, die auf Transport geschickt und dann von den Nazis in den KZ umgebracht wurden.
Es gibt gerade in dieser Frage keine einheitliche Rechtsprechung durch die Gerichte. Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte die erwähnte Klage wegen Volksverhetzung von mehreren Politikern mit Migrationshintergrund nicht angenommen. Sie berief sich dabei auf das Geschehen um den ehemaligen Berliner NPD-Chef Hähnel, der schon einmal eine ähnliche fremdenfeindliche Aktion gestartet hatte. Mit seinem »5-Punkte-Plan zu Ausländerrückführung« hatte er in gleicher Weise provoziert.
Damals hatte ihn das Landgericht zwar wegen Volksverhetzung verurteilt, die nächste höhere Instanz, das Kammergericht, hob diesen Spruch jedoch auf und sah die Schmähbriefe durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Das hat die NPD offensichtlich ermuntert, vor den letzten Wahlen die gleiche braune Show abzuziehen.
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