Lateinamerikas Gegenprojekt

Das regionale Staatenbündnis CELAC trifft sich zum Gipfel in Kuba - ohne die USA

  • Rainer Schultz, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.
Zum zweiten Mal tagen heute und morgen die Staats- und Regierungschefs von 33 lateinamerikanischen und karibischen Staaten, um Strategien für die regionale Zusammenarbeit zu beraten.

Das regionale Bündnis CELAC (Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten) wurde vom damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez 2010 ins Leben gerufen und ist Ausdruck der veränderten politischen Kräfteverhältnisse auf dem Kontinent. Neben einer Abschlusserklärung, der »Deklaration von Havanna«, werden beim zweiten CELAC-Gipfel in Havanna etwa 30 Kommuniqués und Aktionspläne beraten. Dazu gehören Maßnahmen zum Klimaschutz, die Nahrungssouveränität, das Ende der USA-Blockade gegen Kuba oder die Rückgabe der Malvinas (Falklandinseln) an Argentinien. Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner ist bereits am Freitag in Kuba eingetroffen.

Zunächst hatten nationale Koordinatoren die Tagesordnung beraten. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez verkündete, dass Lateinamerika zu einer atomwaffenfreien und Friedenszone erklärt werden soll. Dazu passt, dass in Havanna Vertreter der kolumbianischen Guerilla FARC seit vielen Monaten mit der Regierung verhandeln. Am Montag berieten dann die CELAC-Außenminister. Zum eigentlichen Gipfel sind die Regierungschefs und Präsidenten der 33 Mitgliedstaaten geladen, darunter Mexikos Staatsoberhaupt Enrique Peña Nieto und Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. Sie wird gemeinsam mit Gastgeber Raúl Castro auch einen ersten Abschnitt des neuen Containerhafens und der Freihandelszone Mariel etwa 50 Kilometer westlich der Hauptstadt einweihen.

Das Milliardenprojekt, das den regionalen Handel fördern soll, wurde wesentlich vom »Koloss« aus dem Süden finanziert. Zudem wurde in der Vorwoche mitgeteilt, dass die Zahl der in Brasilien praktizierenden 5400 kubanischen Ärzte im Rahmen des Programms »Mais Médicos« in diesem Jahr auf 11 000 verdoppelt wird. Mit den erwarteten jährlichen Einnahmen von rund 500 Millionen US-Dollar wird Kuba einen Teil der Kosten zahlen.

Der Asphalt für die Verbindung vom Kongresszentrum Pabexpo zur neuen Freihandelszone Mariel wurde noch bis zum Wochenende gewalzt. Die Sicherungsvorkehrungen in Havanna sind groß. Wichtige Straßenecken werden seit Tagen von Polizisten rund um die Uhr bewacht. Beleuchtungen und Fahrbahnmarkierungen, die seit Jahren vernachlässigt waren, wurden plötzlich erneuert. Viele Hauptstädter lästern über den Aktionismus, weil anderen Bereichen, die nicht zum Besuchsprogramm gehören, dieses Privileg nicht zuteil wird. Täglich berichten die staatlichen Medien ausführlich über den Kongress, porträtieren die teilnehmenden Länder. Laut der spanischen Nachrichtenagentur EFE planen einige Dissidenten und Regierungsgegner ein alternatives »Demokratie-Forum«. Unklar war bis zuletzt, ob das geduldet werden würde.

2011 tagte die CELAC zum ersten Mal in Mexiko. Anders als die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), von der Kuba seit 1962 auf Druck Washingtons ausgeschlossen ist, gehören die USA und Kanada der CELAC nicht an. Die CELAC hat im Unterschied zu den seit 1994 von den USA geführten amerikanischen Gipfeltreffen eine deutlich sozialere Agenda für den Kontinent der größten sozialen Ungleichheit. Washingtons Ziel war es, die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA auf den gesamten Kontinent auszuweiten.

Das Projekt scheiterte am breiten Widerstand, den dieses Programm hervorrief. Die 90er Jahre begannen als neoliberale Dekade mit dem Zusammenbruch des europäischen Staatssozialismus und endeten mit einer politischen Linkswende in Lateinamerika, die sich mit dem Amtsantritt von Hugo Chávez 1999 in Venezuela ankündigte. Seitdem versuchte Washington, vor allem durch bilaterale Handelsverträge und regionale Projekte wie dem Plan Puebla-Panama, dem Plan Colombia oder zuletzt der »Pazifik-Allianz« seine hegemonialen Interessen durchzusetzen. Dem setzten Linksregierungen Programme wie das wirtschaftliche und politische Bündnis ALBA von inzwischen neun Staaten Lateinamerikas und der Karibik entgegen. Auch CELAC ist so gesehen ein Gegenprojekt des Südens.

Dass ausgerechnet die kommunistische Regierung Kubas, die von den USA bis heute nicht anerkannt wird, Ausrichter der Konferenz ist, dürfte Washington deshalb ein Dorn im Auge sein. Zumal schon beim letzten amerikanischen Gipfeltreffen 2012 in Cartagena de Indias Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos erklärt hatte, dass es keine Abschlusserklärung geben könne, da die USA und Kanada eine Verurteilung des Embargos gegen Kuba ablehnten. Bis zum nächsten Treffen 2015 in Panama muss USA-Präsident Barack Obama also entweder seine Kuba-Politik ändern oder er läuft Gefahr, dass Washingtons Pläne auch hier ignoriert werden und die CELAC zur einzigen funktionierenden regionalen Integrationsinstitution wird - ohne die USA.

Wohl auch deshalb haben die Generalsekretäre der UNO sowie der OAS, Ban Ki Moon und José Miguel Insulza, ihre Teilnahme in Havanna zugesagt. Die Abschlusserklärung des Treffens in Havanna finde bereits große Zustimmung, berichteten kubanische Diplomaten. Vielleicht, weil sie ohne die Supermacht im Norden erarbeitet wird? Am Ende des Gipfeltreffens wird Costa Rica turnusgemäß die Präsidentschaft von Kuba übernehmen; in drei Jahren wird dann erneut getagt.

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