Volk landet in Tempelhof

Über 185 000 Menschen unterschrieben für den Erhalt des Ex-Flugfeldes

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Berliner dürfen voraussichtlich selbst entscheiden, ob das Tempelhofer Feld bebaut werden soll. Das Volksbegehren über den Erhalt der Freifläche war erfolgreich.

Trotz aller Irritationen über gefälschte Unterschriften hat die Bürgerinitiative »100 Prozent Tempelhofer Feld« ihr Ziel erreicht: 185 328 gültige Unterschriften gegen die geplante Randbebauung wurden gesammelt. Das sind 11 211 Stimmen mehr als erforderlich, teilte am Dienstag Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach mit. Übernehmen nun der rot-schwarze Senat und das Abgeordnetenhaus nicht den Gesetzentwurf der Feldfreunde, was als ausgeschlossen gilt, kommt es bis Ende Mai zu einem Volksentscheid.
Insgesamt waren 237 000 Unterschriften eingereicht worden. Über 50 000 und somit knapp 22 Prozent waren somit ungültig, womit diese Quote höher lag als beispielsweise beim Energie-Volksentscheid mit 16 Prozent ungültiger Unterschriften. Die Initiative erklärt dies damit, dass sich diesmal auch viele Touristen und Nichtberliner für ihr Anliegen begeistert hätten.

In der vergangenen Woche waren Vorwürfe laut geworden, dass beim Auszählen der Stimmen zu lax vorgegangen würde. So führte etwa ein fehlendes Geburtsdatum nicht automatisch zur Ungültigkeit der Unterschrift. Das könne Manipulationen begünstigen, hieß es aus einigen Bezirken. Dafür gebe es »keine Anhaltspunkte«, wies dies Michaelis-Merzbach zurück. Die Bezirkswahlämter hätten ihr mitgeteilt, dass ihnen keine Hinweise auf gefälschte Eintragungen vorlägen. Die Prüfung sei »selbstverständlich im Einklang mit dem Abstimmungsgesetz« erfolgt.

Je dichter die Menschen am Treptower Feld wohnen, desto mehr unterstützen sie das Anliegen der Initiative. In Friedrichshain-Kreuzberg sind das 18,6 Prozent der Stimmberechtigten, in Tempelhof-Schöneberg 15,9 und in Neukölln 15,8 Prozent. In Marzahn-Hellersdorf (1,5 Prozent) und Spandau (2,4) haben die wenigsten unterschrieben.

Das Ergebnis sei ein Zeichen sowohl für den Senat als auch für die Bebauungsgegner, von ihren Maximalpositionen abzurücken, erklärten die Grünen-Vorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener. Zwischen den Bauplänen von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) und der Nulllösung der Initiative gebe es einen dritten Weg.

Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer konstatierte, dass es für die Pläne des Senats keine Akzeptanz in der Bevölkerung gibt. Er sollte sie zurückziehen, ein Planungsmoratorium verkünden und auf die Initiativen zugehen. Voraussetzung dafür müsse die Bereitschaft sein, die Bebauungspläne deutlich zu reduzieren. Danach sieht es bisher nicht aus. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) kündigte an, weiter für die Bauvorhaben zu werben, »damit wir den dringend benötigten, günstigen Wohnraum schaffen, ohne dabei die Weite und Einzigartigkeit des Feldes zu beschränken«. Der Bau von Wohnungen für kleinere und mittlere Einkommen sei im gesamtstädtischen Interesse. 230 Hektar sollen als Freifläche erhalten bleiben, was Müller auch gesetzlich absichern will.

Der Senat will neben dem Neubau für die Zentral- und Landesbibliothek an den Rändern des Feldes 4700 Wohnungen bauen, außerdem sollen Gewerbeflächen für 7000 Arbeitsplätze entstehen. »Die Totalität, mit der das Volksbegehren jede Bebauung ablehnt, schadet der Entwicklung Berlins«, erklärte der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß. Moderater gab sich sein Koalitionspartner. Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, gratulierte der 100-Prozent-Initiative sogar. Sie schieße allerdings über das Ziel hinaus, wenn sie das gesamte Feld dauerhaft von jeder Entwicklungschance abschneide.

Die Bürgerinitiative, wie auch die Oppositionsparteien fordern, den Volksentscheid zusammen mit der Europawahl am 25. Mai stattfinden zu lassen. Der Verein »Mehr Demokratie« verlangte ein klares Bekenntnis vom Senat zu dieser Termin-Kopplung und eine gesetzliche Regelung dafür. »Dem Senat ein Instrument in die Hand zu geben, welches sich entscheidend auf Erfolg oder Misserfolg eines Volksbegehrens auswirkt, kann nicht im Sinne einer fairen Ausgestaltung der direkten Demokratie sein – richten sich Volksbegehren doch erfahrungsgemäß gegen Pläne der Regierungsmehrheit«, so Sprecher Oliver Wiedmann.

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