Wider das Käseglockenkonglomerat

Klaus Wowereit (SPD) bittet in der »BILD« darum, dass Kreuzberg besser regiert wird

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie wollen Werbung verbieten, Tempelhof nicht bebauen lassen und hacken Löcher in die East Side Gallery, die ja, wie alle wissen, in Kreuzberg liegt: Der Stadtteil ist laut »BILD« voll von Nein-Sagern.

»Ein wunderschöner Bezirk. Er hätte es nur verdient, besser regiert zu werden«, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kürzlich dem Springerblatt »BILD«. Der betreffende Text zitiert ihn mit einem weiteren Satz: »Bitte engagieren Sie sich, damit nicht die Käseglockenspezialisten sagen, was Wille dieser Stadt ist.« Klingt gut, diese Forderung. Sollen sich die Berlinerinnen und Berliner engagieren, damit nicht ein paar wenige ihre Stadt an Bauherren mit Eurozeichen in den Augen verscherbeln oder den Geldhahn für diese Bauruine im Südosten der Stadt immer weiter aufdrehen? Natürlich nicht, angesprochen waren »Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur«.

Der erwähnten Zeitung war dieser Satz offensichtlich Anlass genug für ein Portrait des »kleinen« Bezirks inklusive Charakteranalyse. Die Kreuzberger schreien am lautesten. Gegen Werbung, gegen die Bebauung Tempelhofs und gegen Touristen. Unter dem Titel »Der Bezirk der Nein-Sager« darf auch ein Parteikollege und Amtsvorgänger Wowereits sich ein bisschen beschweren. »Das ist eine Minderheit, die Themen vorgibt, mit denen sich die ganze Stadt beschäftigen muss«, meint auch Walter Momper, der »sogar« Zustimmung von Kurt Wansner (CDU) bekommt. Ein Satz, der irgendwie nie auf die hinweist, die die Politik meint, sondern stets zurück fällt auf den, der ihn ausspricht. Wer hat denn die Bebauung Tempelhofs beschlossen? Wer ist denn Meister darin, sich dem Problem O-Platz auf ewig zu verschließen?

Engagieren sollen sich Wirtschaft und Politik nach Ansicht der »BILD« beispielsweise am Spreeufer, »wo Initiativen und Grünen-Politiker den Stillstand predigen: Party-Location ja, Investitionen nein.« Jeder, der Berlins Mitte auch nur halbwegs gut kennt, weiß, dass die Clubszene mit all ihren »Partylocations« sich über die Maße schnell verändert und mitnichten stille steht. Die Clubs schließen und ziehen weg. Trotz der vielen Touristen, die in die vielen Hostels kommen - und wegen der angeblich nicht vorhandenen Investitionen im Wohnungsmarkt.

Dass die Springerpresse nicht gerade zu den Fans der Grünen und Linken Fraktionen in den Bezirksparlamenten zählt, ist nun keine Überraschung. Auch sind BILD-Artikel bekanntlich weniger tatsachengetreue Nachrichtentexte, als Meinungsartikel. Dass allerdings die CDU immer noch als »politischer Gegner« der SPD bezeichnet wird, verweist zu Zeiten einer rot-schwarzen Koalition doch auf sehr veraltete Ansichten, vorsichtig gesagt. Aber wer die Verwaltungsreform in 13 Jahren immer noch nicht mitbekommen hat und Kreuzberg für einen eigenständigen Bezirk hält, von dem kann man wohl kaum erwarten, dass er den schwierigen Schritt in die politischen Realitäten des 21. Jahrhunderts bewältigt hat.

Wenn irgendjemand unter einer Käseglocke sitzt, dann sind es Politiker wie Wowereit, Wansner und jene, die sich, wenn es ihnen passt, zu deren Hofchronisten erklären.

Eine wunderschöne Stadt, dieses Berlin. Sie hätte es nur verdient, besser regiert zu werden.

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