Sondersitzung zur Spitzel-Affäre
Henkel sieht keinen Bezug von »VP 598« zum Nationalsozialistischen Untergrund
Die Sitzung im Geheimschutzraum fiel aus. Weil die Staatsanwaltschaft am späten Mittwochnachmittag kurzfristig den Vertrauensschutz für die ehemalige »Vertrauensperson (VP) 598« Nick Greger des Berliner Landeskriminalamtes aufgehoben hatte, konnte die anberaumte Sondersitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses am Donnerstag doch öffentlich abgehalten werden.
Das einzige Thema der Parlamentarier: Wie von »nd« bereits vor einigen Tagen berichtet, hatten Berlins Innenbehörden mit Nick Greger erneut einen V-Mann mit Bezug zum »Nationalsozialistischen Untergrund« nicht öffentlich gemacht. Außerdem, so behauptet es zumindest Greger in einem Interview mit dem rechten Magazin »Compact«, soll das LKA am 31. Oktober 2013 zwei Beamte geschickt haben, um ihm unter Drohungen zu raten, vor Untersuchungsausschüssen nichts zu Carsten Sczecepanski zu sagen, einem ehemaligen Nazi-Kumpan Gregers, der zugleich Spitzel des Brandenburgischen Verfassungsschutzes unter dem Decknamen »Piatto« war. Bekannt ist, dass eben dieser V-Mann »Piatto« für das Zwickauer Neonazitrio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe Waffen besorgen sollte.
Dass damit auch die »VP 598« ein hochinteressanter Zuträger in Sachen NSU-Umfeld ist, immerhin steht Carsten Sczecepanski auf der sogenannten 129er Liste der Bundesanwaltschaft zum relevanten NSU-Komplex, können die Berliner Innenbehörden indes nicht erkennen. »Nick Greger hat keinen inhaltlichen oder personellen Bezug zum NSU«, sagte Polizeipräsident Klaus Kandt. Innensenator Frank Henkel betonte: »Wir haben im August 2013 alle VP-Akten an die Abgeordneten geliefert.« Auch dem Bundestagsuntersuchungsausschuss zum NSU, so Henkel, seien »selbstverständlich« auch die Akten angeboten worden. Eine interne Auswertungsgruppe der Innenbehörde habe zudem die sogenannten 41er und die 129er Liste der Bundesanwaltschaft zum NSU abgearbeitet und ein Namens- und Ortsregister erstellt, das den Abgeordneten zur Verfügung gestellt worden sei.
Dass die Polizei Ende Oktober 2013 ein »Sensibilisierungsgespräch« mit Nick Greger geführt hat, räumte Henkel indes ein. Angeblich, um den ehemaligen Spitzel auf »Gefährdungen« hinzuweisen, die durch die Übertragung der VP-Akten an die Abgeordneten des Berliner Landesparlaments entstehen könnten. Solche Gespräche wurden im Herbst vergangenen Jahres offenbar auch mit vielen weiteren ehemaligen Spitzeln aus der Neonazi-Szene geführt, die mal in Diensten des Berliner Landeskriminalamtes standen. Die Nichtinformation der Abgeordneten zu diesen Vorgängen rechtfertigte Henkel am Donnerstag so: »Worüber hätte ich sie informieren sollen, über eine VP, die wildeste Verschwörungstheorien aufstellt?« Auch Polizeipräsident Kandt erklärte: »Insgesamt sind sämtliche von Herrn Greger erhobenen Vorwürfe völlig abwegig.«
Laut Henkel war die »VP 598« zwischen 2001 bis 2003 erst Informant und dann VP. Nick Greger wurde »abgeschaltet«, weil er sich immer wieder ausländischen Geheimdiensten für Geld anerboten haben soll und deshalb als »unzuverlässig« galt. Für die Polizei lieferte er, angeblich ohne Honorare und Vergünstigungen, Informationen zu den damals relevanten rechtsextremen Organisationen: Zur »Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front«, der Band »Landser«, zum »Kampfbund Deutscher Sozialisten« und den »United Skins«.
Während die CDU-Fraktion die Informationen Gregers am Donnerstag als »irrelevant« für die NSU-Mordserie abhakte, sieht die Opposition weiter Aufklärungsbedarf. »Sie haben im Zusammenhang mit dem NSU Aufklärung versprochen und liefern nicht«, sagte der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Udo Wolf. Dass zeitgleich zu laufenden Untersuchungsausschüssen zum NSU in Thüringen und Sachsen Berliner Polizisten durch die Lande ziehen und ihre ehemaligen VP besuchen, ohne dass die Abgeordneten darüber informiert werden, kritisierte Wolf ebenfalls. Die LINKE kündigte weitere Fragenkataloge zur Affäre um Nick Greger an.
Auch die Grünen sehen das Transparenzversprechen Henkels nicht eingelöst. »Jetzt wissen wir, es gibt noch eine weitere VP mit NSU-Bezug«, sagte die Abgeordnete Clara Herrmann. Der Innensenator habe seine eigene Vorgabe aus den vergangenen Skandalen, die Abgeordneten innerhalb von 48 Stunden zu informieren, nicht eingehalten, so Herrmann. »Anstatt uns aufzuklären, informieren Sie Ihre Spitzel.«
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