Genossen sammeln sich – Wowereit im Anflug

Am Wochenende wird der Regierende Bürgermeister aus dem Skiurlaub zurück erwartet, Fraktion und Partei stärken ihm plötzlich den Rücken

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 5 Min.
Nach chaotischen Tagen schlossen sich die Reihen bei den Sozialdemokraten am Freitag wieder: Einen Putsch erwartet niemand. Am Montag muss sich der Regierende im Parlament erklären.

Ob der ganz große Knall bei den Berliner Sozialdemokraten noch bevorsteht? Zumindest öffentlich schlossen sich am Freitag nach einer mehr als turbulenten Woche im Zuge der Steueraffäre um den zurückgetretenen Kulturstaatssekretär André Schmitz die Reihen wieder. Vorne weg bekam der durch die Affäre öffentlich angeschlagene Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Rückendeckung von ganz oben. Sein Parteifreund, der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel, erklärte gegenüber »Spiegel Online«: »Es gab einen Fall Schmitz und der ist bereinigt. Daraus jetzt einen Fall Wowereit konstruieren zu wollen, ist absurd.« Zu Beginn der Woche hatte Gabriel die Affäre in Berlin noch befeuert und die Vorbildfunktion von SPD-Mandatsträgern betont. Das war in Berlin als ein Wink mit dem Zaunpfahl gedeutet worden, dass die Genossen in Berlin nicht einfach so die Steueraffäre Schmitz aussitzen können.

Am Freitag wurde aber auch auf Landesebene der neuen Parole »Alle für Wowereit« artig Folge geleistet. Neben den Granden der Berliner Sozialdemokratie wie Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder dem Ex-Regierenden Bürgermeister Walter Momper nahm auch der amtierende Landesvorsitzende Jan Stöß Wowereit in der Steueraffäre öffentlich in Schutz. In einem Interview mit der »Berliner Morgenpost« sagte Stöß zu Wowereits Rolle in der Causa Schmitz: »Solche schweren Entscheidungen muss man zuweilen treffen, wenn man Regierungschef eines Bundeslandes ist. Aber dass dadurch seine Glaubwürdigkeit gelitten hätte, sehe ich nicht.« Gemeint ist die Entscheidung des Regierenden, im Jahr 2012 das Steuervergehen des Kulturstaatssekretärs nichtöffentlich zu machen und Schmitz im Amt zu belassen, nachdem der Betrug aufgeflogen war.

Innerhalb der SPD wird das Vorpreschen von Stöß am vergangenen Montag, auf einen Rücktritt des Staatssekretärs zu drängen, von vielen kritisiert. Selbst die Opposition im Abgeordnetenhaus hatte in ihren ersten Pressemitteilungen dem fachlich hoch angesehenen Schmitz zugestanden, selber einen ehrenvollen Rücktritt zu gestalten. Doch einem solchen selbstgewählten Abgang hat die nach einer Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstandes von Stöß telefonisch an Schmitz übermittelte Empfehlung, zurückzutreten, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die öffentliche Demontage seines Vertrauten soll auch den Regierenden Bürgermeister Wowereit laut Medienberichten ziemlich aufgeregt haben.

So dürfte der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß diese Woche einiges in seiner Partei zu klären gehabt haben. Einen für Donnerstagabend geplanten Auftritt in der Fernsehsendung »Beckmann« zum »Volkssport Steuerbetrug« sagte Stöß jedenfalls kurzfristig ab. Wie aus Parteikreisen verlautete, musste er in Berlin dringendere Telefonate führen. SPD-Rechte wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hatten sich während der Woche vergleichsweise weit aus der Deckung gewagt und die Lage in der Partei so beschrieben: »Die Hütte brennt, der Herr muss ins Haus.«

Der »Herr«, damit war der Regierende Wowereit gemeint, der an diesem Sonnabend aus dem Skiurlaub in Tirol zurückerwartet wird. Viel Entspannung dürfte Wowereit indes auf der Piste nicht gefunden haben, auch in Österreich wird am Handy einiges zu besprechen gewesen sein. In den Hauptstadtmedien wurde am Freitag bereits über ein Treffen von SPD-Fraktionschef Raed Saleh und Wowereit am Sonnabendabend spekuliert. Am Sonntag folgt dann ein Auftritt des Regierenden bei der Berlinale, wo er das traditionelle Mittagessen für die Jury des Filmfestivals gibt.

Während sich einige in der SPD im Verlauf der Woche offen zur Causa Schmitz in den Medien positioniert hatten, waren schrille Töne aus der Abgeordnetenhausfraktion in der Debatte ausgeblieben. Vom sonst nicht auf den Mund gefallenen SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh hieß es in den Medien lediglich, er setze auf »Stabilität«. Im Gegensatz zu Stöß, dem jetzt der Ruch eines Putschisten gegen Wowereit anhaftet, könnte Saleh mit seinem demonstrativen Stillhalten im Kampf um die Nachfolge Wowereits Boden gutgemacht haben.

Indizien, ob sich die Machtblöcke innerhalb der SPD durch die Affäre tatsächlich verschoben haben, dürfte in jedem Fall die für Montagnachmittag geplante Sitzung des Landesvorstandes der Partei liefern. Dort ist ab 16.30 Uhr für eine Erklärung Wowereits zur Affäre Schmitz bisher eine Stunde eingeplant. Der Gesprächsbedarf unter den Spitzengenossen dürfte indes wahrscheinlich größer sein. Gut möglich auch, dass Wowereit dem Landesvorsitzenden Jan Stöß ordentlich die Leviten lesen wird. Dass der Regierende zu solchen Aktionen fähig ist, hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen.

Der Politologe Gero Neugebauer erklärte am Freitag im Inforadio des rbb, dass er die Position des Regierenden Bürgermeisters innerhalb der SPD trotz der Steueraffäre für stabil halte. »In der Berliner SPD gibt es nur schwache Formationen, wenn es um die Wowereit-Nachfolge geht«, sagte der FU-Wissenschaftler. »Niemand will als Königsmörder auftreten, es gibt auch keine Turbulenzen auf Senatsebene. Offenbar hat das Ereignis nicht genügend Sprengkraft.« Gleichwohl könne Wowereit die aktuelle Krise um den Rücktritt seines Kulturstaatssekretärs André Schmitz wegen hinterzogener Steuern aber nicht so einfach aussitzen. »Er wird nicht als ramponierter und aus dem Amt gedrängter Regierender Bürgermeister in den Geschichtsbüchern auftauchen wollen«, meinte der Parteienforscher.

Wenn die Genossen am Montagnachmittag im Landesvorstand zusammenkommen, wird Wowereit bereits auf Betriebstemperatur sein. Ab 13 Uhr am selben Tag tritt nämlich auch das Abgeordnetenhaus auf Antrag der Opposition von Grünen, Linkspartei und der Piraten für drei Stunden zu einer Sondersitzung des Rechts-, des Innen- und des Kulturausschusses zusammen. Die Oppositionsfraktionen haben angekündigt, den Regierenden ordentlich in die Mangel nehmen zu wollen. »Wowereit muss den Vorwurf ausräumen, dass die Causa Schmitz ein Handeln unter Freunden war«, sagt die Sprecherin der Linksfraktion Kathi Seefeld. Für die Klärung der Rechtsfragen der Steuerhinterziehung des Kulturstaatssekretärs und das Handeln Wowereits allein ist in der Sondersitzung eine Stunde vorgesehen.

Die Meinung, ob Wowereit 2012 ein formelles Disziplinarverfahren gegen Schmitz hätte einleiten müssen, gehen unter Juristen auseinander. Nicht teilnehmen an der Sondersitzung wird im Übrigen, wie von der Opposition gefordert, Innensenator Frank Henkel (CDU). Dessen eigene Affäre zu einem V-Mann mit möglichem NSU-Bezug durch die Berichterstattung zu Wowereit und Schmitz völlig in den Hintergrund gedrängt wurde. Henkel weilt als Gast zu den Olympischen Spielen in Sotschi.

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