Seehofer stellt der SPD ein Ultimatum
Fall Edathy: Sozialdemokraten sollen ihr Verhalten am Wochenende erklären / Ton in der Großen Koalition wird rauher / Linken-Vorsitzende spricht von Anstiftung zum Geheimnisverrat
Berlin. In der Affäre um den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy wird der Ton in der großen Koalition rauher. Nach dem Rücktritt von Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlangt der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl eine eidesstattliche Erklärung der beteiligten SPD-Politiker zu der Frage, mit wem sie über den Fall Edathy gesprochen haben. »Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt«, sagte Uhl dem Nachrichtenmagazin »Focus«.
Auch CDU-Vize Armin Laschet forderte eidesstattliche Erklärungen von den beteiligten Sozialdemokraten. »Eidesstattlich müssen alle SPD-Politiker, die eingeweiht waren, dass ihr damaliger Kollege Bilder nackter Jungen bestellte, erklären, dass sie den Verdächtigen nicht vorgewarnt haben«, forderte Laschet in der »Welt am Sonntag«. Es müsse ernsthaft aufgeklärt werden, wer außer der SPD-Führungsriege - Fraktionschef Thomas Oppermann, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht - noch Bescheid gewusst habe.
Wer wusste was und wann im Fall Edathy? Der Fall belastet mittlerweile die Bundesregierung schwer - der frühere Innen- und bisherige Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) musste nach Vorwürfen des Geheimnisverrats im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kinderpornografie gegen den früheren SPD-Innenexperten Sebastian Edathy zurücktreten, die CSU wirft der SPD »Geschwätzigkeit« vor und verlangt Aufklärung. Der Fall Edathy reicht bis ins Jahr 2010 zurück, die Vorwürfe gegen Friedrich nahmen ihren Ausgang im vergangenen Herbst.
2010:
Die Behörden in Kanada nehmen einen weltweiten Internet-Anbieter von Kinderpornografie ins Visier.
2012:
Laut Staatsanwaltschaft Hannover erfährt das Bundeskriminalamt (BKA), dass zu den Kunden des kriminellen Unternehmens rund 800 Deutsche gehören. Nach heutigem Erkenntnisstand der Staatsanwaltschaft soll Edathy zwischen 2005 und 2010 bei der kanadischen Firma Material bestellt haben, das sich »im Grenzbereich« zur Kinderpornografie befindet.
Oktober 2012:
Das vom BKA weiter betriebene Verfahren im Zusammenhang mit dem Kinderporno-Ring gelangt zur Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.
Oktober 2013:
Die Verfahrensakte Edathy geht an die Generalstaatsanwaltschaft Celle. Im selben Monat informiert der damalige Bundesinnenminister Friedrich den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass Edathys Name im Zusammenhang mit ausländischen Ermittlungen aufgetaucht sei. Die Öffentlichkeit erfährt von dem Gespräch zwischen Friedrich und Gabriel am Donnerstag dieser Woche durch eine Erklärung von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
5. November 2013:
Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erhält nach eigenen Angaben die Edathy-Akte. Sie wird als Verschlusssache behandelt.
Mitte November 2013:
Die kanadische Polizei geht an die Öffentlichkeit und teilt mit, dass sie einen weltweiten Kinderpornografie-Ring zerschlagen hat. Edathy reagiert nach eigenen Angaben auf diese Presseberichte und bittet seinen Anwalt um Beratung.
28. November 2013:
Der Anwalt Edathys bittet die Staatsanwaltschaft in Hannover nach deren Angaben zunächst vergeblich um ein vertrauliches Gespräch.
22. Januar 2014:
Laut Staatsanwaltschaft Hannover sagt Edathys Anwalt bei einem Gespräch, sein Mandant habe gerüchteweise gehört, dass gegen ihn ermittelt werde. Zugleich versichert der Anwalt demnach, die fraglichen Filme seien nicht pornografisch gewesen.
28. Januar:
Die Staatsanwaltschaft Hannover fasst den Beschluss, ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy einzuleiten.
6. Februar:
Die Staatsanwaltschaft unterrichtet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in einem Schreiben über die Verfahrenseinleitung. Der Brief geht allerdings erst am 12. Februar beim Bundestag ein.
8. Februar:
Edathy teilt der Öffentlichkeit mit, dass er sein Bundestagsmandat niederlegt - »aus gesundheitlichen Gründen«.
10. Februar:
Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Wohn- und Geschäftsräume Edathys durchsuchen.
13. Februar:
Nachdem Oppermann das Gespräch zwischen Friedrich und Gabriel zum Fall Edathy vom Oktober öffentlich gemacht hat, tritt die Staatsanwaltschaft Berlin auf den Plan: Sie will einen möglichen Verdacht auf Geheimnisverrat prüfen - ohne in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Namen von Friedrich zu nennen. In der Opposition werden erste Rufe nach einem Rücktritt des Ministers laut.
14. Februar:
Friedrich erklärt seinen Rücktritt. Der CSU-Politiker beharrt darauf, dass er bei seinem Gespräch mit Gabriel »politisch und rechtlich richtig gehandelt« habe. Gabriel versichert am Abend, weder er noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) oder Oppermann hätten Informationen über Ermittlungen gegen Edathy an diesen weitergegeben.
15. Februar:
CSU-Chef Horst Seehofer wirft der SPD »Vertrauensbruch« vor, weil Oppermann das Gespräch von Friedrich und Gabriel öffentlich gemacht hat. AFP/nd
CSU-Chef Horst Seehofer stellte den Sozialdemokraten auf einem Parteitag im Bamberg derweil laut eiem bericht von Spiegel online ein Ultimatum: »Ich fordere die SPD auf, an diesem Wochenende ihr Verhalten, ihre Widersprüche aufzuklären«, sagte Seehofer. Schon zuvor hatte Seehofer Aufklärung vom Koalitionspartner SPD gefordert, insbesondere von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. »Jetzt stellen sich viele Fragen an die SPD zu den Widersprüchlichkeiten ihres Tuns«, sagte Parteichef Horst Seehofer der »Rheinischen Post«. Er will nun auch die Zusammenarbeit in der Koalition zur Sprache bringen: »Darüber wird zwischen den drei Parteivorsitzenden zu reden sein.«
Derweil hat Linken-Vorsitzende Katja Kipping dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann wegen seines Verhaltens im Zuge der Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy den Rücktritt nahe gelegt. »Ich hinterfrage vor allem die Rolle von Thomas Oppermann«, sagte Kipping dem »Kölner Stadt-Anzeiger«.
Es stelle sich die Frage, wie ein ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer dazu komme, »beim Chef des BKA anzurufen und ihn zum Geheimnisverrat anzustiften? Das ist eine politische Haltung, die mit der Ausfüllung eines Spitzenamtes nicht vereinbar ist«, so Kipping. Mit Blick auf Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich, der am Freitag wegen seiner Rolle im Fall Edathy die Konsequenzen gezogen hatte, sagte die Linkenpolitikerin: »Das war wohl nicht der letzte Rücktritt.«
Nach Informationen von Spiegel online haben sich derweil führende Linken-Politiker darauf verständigt, eine Aktuelle Stunde im Parlament zu beantragen. »Wir wollen eine Aktuelle Debatte im Bundestag zum Zustand der Bundesregierung nach der Edathy-Affäre«, sagte Fraktionsvize Klaus Ernst. Ein entsprechender Antrag soll am Montag offiziell beschlossen werden. Beantragt eine Fraktion im Bundestag eine Aktuelle Stunde, muss diese stattfinden - wohl dann in der kommenden Woche.
Allerdings schloss SPD-Chef Sigmar Gabriel personelle Konsequenzen in seiner Partei aus. Auf eine entsprechende Frage der »Bild«-Zeitung sagte Gabriel: »Natürlich, denn ich bin absolut sicher, dass weder ich noch Herr Steinmeier oder Herr Oppermann irgendwelche Informationen an Edathy weitergegeben haben.«
Während Gabriel die Arbeit der Großen Koalition derzeit nicht nachhaltig als belastet ansieht, kam die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft auf eine skeptischere Beurteilung. »Wir haben eine Reihe von politischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die das Land auch braucht. Und ich bin sicher, dass wir sehr schnell auch wieder zu diesem Arbeitsklima zurückfinden«, sagte Gabriel in der ARD. Das Vertrauensverhältnis zur Kanzlerin sei durch den Vorfall nicht beschädigt worden. Kraft erklärte hingegen, »dass ein Minister nach so kurzer Zeit zurücktritt, ist eine schwierige Situation«.
Oppermann hatte in der Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy erklärt, Friedrich habe im Oktober noch als Bundesinnenminister den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel informiert. Daraufhin war Friedrich nach Bekanntwerden des Falls vorgeworfen worden, Dienstgeheimnisse weitergegeben zu haben. Am Freitag war der CSU-Politiker zurückgetreten. Oppermann betonte, er habe seine Erklärung vorab mit Friedrich abgestimmt. »Minister Friedrich war mit der Erklärung an sich und mit deren Inhalt ausdrücklich einverstanden«, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende der »Süddeutschen Zeitung«.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ die Nachfolge Friedrichs in dem der Schwesterpartei CSU vorbehaltenen Agrarressort offen. Die Frage dürfte beim kleinen Parteitag der CSU am Samstag in Bamberg zur Sprache kommen. Als mögliche Nachfolgerinnen im Agrarressort galten am Freitagabend unter anderem Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) und die Bundesdrogenbeauftragte und Agrarexpertin Marlene Mortler.
Friedrich selbst äußerte sich inzwischen versöhnlich zur Rolle Gabriels in der Affäre. Er hege keinen Groll gegen den SPD-Chef. »Ich glaube, dass es Gabriel sehr leid tut, wie es mir ergangen ist«, sagte Friedrich dem »Focus«. »Gabriel weiß, dass ich dazu beitragen wollte, das Zustandekommen der neuen Koalition nicht zu erschweren. Er weiß auch, dass ich nie Recht brechen wollte.« Agenturen/nd
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