Kolonialismus heute
Hubert Sauper erhielt am Sonntag für die Sudan-Dokumentation »We Come as Friends« den Friedensfilmpreis der Berlinale
Das heimgewerkelte Flugzeug, mit dem der österreichische Dokumentarfilmer Hubert Sauper (»Darwins Albtraum«) sich auf den Weg nach Sudan machte, erregt viel Heiterkeit an den Orten, an denen er landet. Wer eine solche Blechkiste mit leinwandbespannten Flügeln steuert, kommt sichtlich nicht als Bedrohung, als Usurpator, als neuer Kolonialherr, dürfte die Überlegung hinter dem Konstrukt gewesen sein. Und offenbar hat sie funktioniert. Nur einmal wird die Crew von einem Dorfältesten gewarnt, das Landen in der Dämmerung sei keine gute Idee gewesen, ein Übernachten im Dorf nicht sicherer als der Weiterflug im Dunkeln. Alle anderen zeigen mit dem Finger auf die Blechbüchse, die neben den »offiziellen« Flugzeugen der Chinesen, Amerikaner, Europäer und UN-Versorger wie ein Spielzeug wirkt, und lassen sich auf Gespräche ein.
»We Come as Friends« ist eine Bestandsaufnahme Sudans kurz vor und kurz nach dem Referendum, das dem Süden seine Unabhängigkeit brachte. Vor allem aber ist der Film gedacht als psychoanalytische Untersuchung des Krankheitsbildes Kolonialismus, wie Sauper bei der Entgegennahme des Preises sagte. Denn Kolonialismus ist eben kein historisch überholtes Phänomen, sondern kaum verbrämte Realität in vielen Ländern Afrikas. Der erdöl- und mineralstoffreiche Sudan war Kampfzone diverser Wirtschaftsinteressen schon zu Zeiten, als Europa sich seiner kolonialen Interessen noch rühmte, statt sie unter den Euphemismen Entwicklungshilfe und Kooperation zu verbergen.
Die Briten, die Ostafrika von Nord nach Süd besitzen wollten, von Suez bis Südafrika, standen dort gegen Franzosen, die eine afrikanische West-Ost-Achse anstrebten, vom Atlantik bis zum Indischen Ozean. Die lokale Bevölkerung war der Leidtragende, damals wie heute. Enteignet, bewaffnet und aufeinandergehetzt damals, vertrieben, verseucht, zu Missionsopfern, Jubelchören und Putzkolonnen degradiert heute. Jetzt sind es chinesische Konzerne, die im muslimischen Norden die Reichtümer des Landes abbauen und den Einheimischen vor Ort Müllberge, verseuchtes Wasser und sterbende Viehbestände bescheren, während sie selbst sich in gesicherte Lager zurückziehen und Sicherheitsabstand wahren zu den »locals« mit ihrem »zweihundertjährigen« Zivilisationsrückstand.
Im christlichen Südsudan, wo Sauper, Crew und Flugzeug deutlich öfter aufschlagen, tragen die umzäunten Camps das UN-Logo, während in Investoren-Konferenzen feixend von der reichen Gewinnmarge vorrangig natürlich rein humanitär zu verstehender Entwicklungsmaßnahmen die Rede ist und die damalige US-Außenministerin Clinton in Fernsehinterviews in Abrede stellt, dass man Kolonialismus im Sinne habe, wenn man sich in Afrika engagiere. Noch verlogener sind nur die texanischen Missionare, die solarbetriebene Bibelhörbücher und Kleidung verteilen (die weißen Söckchen für schuhlose Kleinkinder sind im braunen Staub der Steppe ein besonders durchdachter Zivilisationserfolg!) und Mädchen zu Untermenschen erklären lassen, wenn sie statt in der neuen Schuluniform in traditionellen Tüchern und Glasperlenschmuck zur Schule erscheinen.
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