»Es war eine Mischmaschsituation«

Amtsgericht Tiergarten sprach Mutter vom Vorwurf des Widerstands gegen die Staatsgewalt frei

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Mit einem Freispruch endete am Montag ein Prozess gegen eine 37-jährige Mutter, die einen Polizisten »körperlich misshandelt« haben soll.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen.

Vor nunmehr zwei Jahren gab es einen Zwischenfall, der am Montag ein juristisches Nachspiel hatte. Am 21. März 2012 gegen 8 Uhr bemerkte der 45-jährige Präventionsbeamte Hartmut J. in der Nähe einer Schule in Prenzlauer Berg eine Radfahrerin, bei der das Kind auf dem Gepäckträger saß. Es sah Gefahr für Leib und Leben und schritt unverzüglich ein. Um sie an der Weiterfahrt zu hindern, griff er ihr in den Lenker. Die Mutter, Patricia C., mit spanischem Pass, in Argentinien geboren und in Berlin zu Hause, wollte ihre Tochter zur Schule bringen. Sie waren spät dran. Sie begriff erst nicht, was dieser fremde Mann von ihr wollte.

Als der Herr mit der merkwürdigen Uniform - in dieser Zeit erfolgte bei der Berliner Polizei die Dressumstellung von Deutschgrün auf Amerikanischblau - den Lenker festhielt, ließ sie ihre Tochter absteigen und wollte zu Fuß weiter. In wenigen Minuten würde der Unterricht beginnen. An dieser Stelle hätte eigentlich alles vorbei sein können. Doch damit hatte die Mutter in Eile die Rechnung ohne den deutschen Beamten gemacht. Der wollte es nun genau wissen. Statt der aufgeregten Frau zu sagen, dass ein Kind auf dem Gepäckträger nicht die richtige, weil nicht ganz ungefährliche Beförderungsart ist, verlangte er die Personalien. Aus einer Ordnungswidrigkeit entwickelte sich ein Streit und daraus eine kleine Rangelei.

Im Ergebnis hatte der Präventionsbeamte laut Anklage der Staatsanwaltschaft Druckstellen und zwei Kratzspuren auf der Hand. Auch die Mutter konnte blaue Flecken am Arm vorweisen, denn Hartmut J. hatte kräftig zugepackt. »Ich dachte, ich muss sie fesseln und zu Boden bringen«, sagte der Beamte dem Gericht. »Ich wollte verhindern, dass sie in Richtung Schule geht.« Doch er entschied sich, sie gehen zu lassen. Später suchte er mit zwei weiteren Kollegen die Schule auf, um das Mädchen nach ihrer Mutter zu befragen. Damit hatte er eindeutig die Kompetenzen überschritten. Doch er wollte ja eine Anzeige fertigen und dazu brauchte er die Personalien. Warum ein Polizist mit einem Großaufgebot anrückt, sich so reinsteigert und rechtswidrig die Befragung eines Kindes unter den Augen der Mitschüler vornimmt, blieb sein Geheimnis. Wollte er der ausländischen Frau mal so richtig zeigen, was deutsche Gesetzlichkeit bedeutet? »Es war eine Mischmaschsituation«, versuchte er sich zu erklären. Eine Mischmaschsituation, mit der der Beamte offensichtlich überfordert war.

An dieser Stelle brach die Richterin die Vernehmung des Zeugen Präventionsbeamten und die Verhandlung ab. Sie hatte genug gehört. »Es wird keine Verurteilung geben«, kündigte sie leicht erbost an. Nach ihrer Überzeugung hat dieser Fall vor Gericht nichts zu suchen. Schon vor Beginn der Verhandlung hatte sie der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung das Angebot unterbreitet, das Verfahren sofort einzustellen. Doch der Anklagevertreter war nach telefonischer Rücksprache mit der vorgesetzten Staatsanwaltschaft nur gegen Bußgeldauflage dazu bereit. Schließlich forderte er eine Geldstrafe von 750 Euro.

Verteidiger Eberhard Schultz verlangte einen Freispruch ohne Wenn und Aber. Seine Mandantin habe sich gegen den Übergriff eines Polizisten gewehrt, bei einer Ordnungswidrigkeit sei das Handeln des Ordnungshüters nicht zu rechtfertigen. Die Tochter aus der Klasse zu holen, sei rechtlich unzulässig. Die Richterin entschied auf Freispruch. Der Polizist wollte alles richtig machen und hat doch daneben gegriffen, sagte sie. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei deutlich verletzt worden.

Für das damals siebenjährige Mädchen hatte der banale Zwischenfall ernste Konsequenzen. Die Mitschüler fragten sie immer wieder nach ihrer Mutter aus, die ja etwas ganz Schlimmes verbrochen haben musste, wenn die Polizei schon in die Schule kommt. Der Druck war schließlich so stark, dass das Kind die Schule wechseln musste.

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