Afghanistan radikal verändern?

»Wenn die Burka plötzlich fliegt« – Erfahrungen mit dem »Theater der Unterdrückten«

Hjalmar Jorge Joffre-Eichhorn ist etwas sehr Seltenes gelungen. Er hat im Kontext der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit nicht einfach nur westliche Modelle nach Afghanistan verpflanzt, sondern mit den vor Ort angepassten und weiterentwickelten Mitteln von Augusto Boals »Theater der Unterdrückten« in mittlerweile siebenjähriger Arbeit mit Tausenden Afghanen ein Klima für Vergangenheitsaufarbeitung und Anerkennung der Kriegs- und Bürgerkriegsopfer geschaffen. Die Erfolge schlagen sich in neuen zivilgesellschaftlichen Initiativen, Frauenräten und sogar neuen Gesetzentwürfen nieder. Weil mit dem Abzug der Truppen des westlichen Militärbündnisses auch die Gelder für die entwicklungspolitische Arbeit gekürzt werden, ist auch die von Joffre-Eichhorn 2009 mitaufgebaute NGO AHRDO (Afghanistan Human Rights and Democracy Organization) in Zukunft in ihrer Finanzierung bedroht. Seine Erfahrungen hat er in dem Buch »Wenn die Burka plötzlich fliegt« (ibidem Verlag) geschildert. Mit ihm sprach Tom Mustroph.

nd: Was war Ihre ursprüngliche Motivation, nach Afghanistan zu gehen? Abenteuerlust? Der Wille zu helfen? Der Reiz, das »Theater der Unterdrückten« in einem besonders schwierigen Kontext auszuprobieren?
Joffre-Eichhorn: Ich war an Afghanistan schon immer interessiert. Als Deutsch-Bolivianer haben mich angesichts von 500 Jahren Kolonialgeschichte Südamerikas stets Völker fasziniert, die der Kolonialherrschaft widerstanden haben. Die Afghanen sind solch ein Volk. Als ich dann auf eine Ausschreibung für friedensförderndes Theater in Afghanistan stieß, war ich sehr interessiert, das »Theater der Unterdrückten«, das ich für ein sehr mächtiges Instrument halte, in einem Land anzuwenden, das diese Widerstandsgeschichte gegen Kolonialisierung hatte.

Sie kamen also selbst mehr als Lernender, weniger als jemand mit den passenden Rezepten?
Definitiv. Aus Beschreibungen kann man das Land nur bedingt kennenlernen. Man muss es erleben. ...


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