Stromnetz-Bewerber fordern Stopp der Vergabe

Genossenschaft BürgerEnergie Berlin kritisiert die Finanzverwaltung und ruft Bundeskartellamt an

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Bewerber um das Berliner Stromnetz sieht sich bei der Vergabe diskriminiert und schaltet das Bundeskartellamt ein. Der Senat soll das Verfahren stoppen.

Die Neuvergabe des Berliner Stromnetzes droht ein Fall für Juristen zu werden. Die Genossenschaft »Bürgerenergie Berlin«, die sich um das Netz bewirbt, wirft dem Senat »unfaire Wettbewerbsbedingungen« vor und hat sich darüber beim Bundeskartellamt beschwert. Die Senatsfinanzverwaltung, die die Vergabe organisiert, wurde aufgefordert, die Kriterien dafür zu überarbeiten.

Diese würden nach Informationen der Genossenschaft denen für das Gasnetz entsprechen. Sie zielten darauf ab, die Leistungen des Bewerbers in seinem Heimatnetz, sein Personal sowie seine Ressourcen zu prüfen. Damit wolle der Senat die Energienetze »nach dem Muster einer Kleinstadt vergeben«, so der Aufsichtsratschef der Genossenschaft, Hartmut Gaßner. Denn während in Iserlohn 47 Mitarbeiter für den Stromnetzbetrieb arbeiten würden, seien es in Berlin 1400. Jeder neue Netzbetreiber in der Stadt müsse deshalb die bestehenden Strukturen mit allen Mitarbeitern komplett übernehmen können.

Als Beispiel für ein »realistisches Großstadtmodell« sieht die Genossenschaft Hamburg. Dort findet nach dem Verkauf des Vattenfallnetzes an die Stadt ein vollständiger Betriebsübergang statt. Alle rund 1000 Mitarbeiter und die Betriebsmittel werden auf das Hamburger Unternehmen übertragen. Daran müsse sich Berlin orientieren. Ob ein Bewerber in seinem Heimatnetz viele oder wenige Stromausfälle hat, spiele für Berlin keine Rolle, so Gaßner. »Denn er wird hier mit dem Netz und der Mannschaft von Vattenfall arbeiten müssen.« Vielmehr müsste es nach Ansicht des Energierechtsexperten im Verfahren vor allem um die Managementkompetenz des Bewerbers gehen: »Hat er Ideen für einen innovativen Netzbetrieb, kann er Berlins Netz fit machen für den Energiemarkt?«

Das jetzige Verfahren verschafft Vattenfall nach Ansicht der Energiegenossen »einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil«. Denn der Konzern müsste in seiner Bewerbung schlicht angeben, seine Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, während alle Konkurrenten gezwungen wären, »teure redundante Modelle aufzubauen, wie der Netzbetrieb alternativ organisiert werden könnte - obwohl diese Alternativen faktisch niemals zum Tragen kommen werden«.

Diesen Nachteil hätte auch das landeseigene Unternehmen Berlin Energie, das wie die »Bürgerenergie Berlin« ebenfalls über kein eigenes Personal verfügt und sich neben der Genossenschaft, Vattenfall, der holländischen Alliander sowie dem Stadtwerkezusammenschluss Thüga um die Konzession bewirbt. Die Genossenschaft gehört mit 2000 Mitgliedern und einem Kapital von derzeit rund neun Millionen Euro zu den kleineren Bewerbern und möchte das Netz in Kooperation mit einem anderen Betreiber übernehmen. »Wir haben die Koalition aufgefordert, das Verfahren zunächst zu stoppen«, erklärte Luise Neumann-Cosel vom Genossenschaftsvorstand. Als erstes müsse es eine Debatte geben, welche Kriterien sinnvoll seien.

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) ließ gestern mitteilen, Interesse als vergebende Stelle sei, »dass jeder Bewerber eine diskriminierungsfreie Chance hat, sich erfolgreich zu bewerben. In diesem Sinne versuchen wir das Verfahren zu gestalten, natürlich im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben«.

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