Zwei Stunden Fremdschämen

Im Kino: »Stromberg« von Arne Feldhusen

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Stromberg findet die Liebe! Und einen neuen Job!! Und einer, der inzwischen Minister auf Außenposten ist, ruft ihn beim Namen und schüttelt ihm im Vorbeigehen die Hand, von Stromberg in bewehrter Ahnungslosigkeit natürlich völlig unerkannt. Dem muss erstmal einer aus der Parteizentrale stecken, wer der eilige Mann mit Brille und schlohweißen Haaren war - woraufhin Stromberg ihn sofort für mächtig schnell gealtert befindet. Ganz so, als kenne man sich in Wirklichkeit natürlich schon ewig. Die regierungskoalitionäre Partei, die Stromberg da in ihrer Zentrale aufnahm, hat sich denn wohl ein Kuckucksei gelegt.

Aber zunächst zurück zum Rückblick, denn die in ihrer Personalpolitik derart fehlgeleitete Partei, die gibt hier nur das Rahmenprogramm ab (und ihr kühler Glaspalast von einer Parteizentrale das Gegenbild zur abgewrackten Lokalfiliale der fiktiven Versicherung »Capitol« aus der TV-Serie »Stromberg«). Für die längste Zeit seines Leinwandauftritts ist Stromberg weiterhin das, was ihn zum Synonym für Spießigkeit, Xenophobie, Besserwisserei und einen eklatanten Mangel an moralischem Rückgrat gemacht hat: ein Versicherungsmann. Zehn Jahre nach der ersten Serienstaffel (und zwei nach ihrem Ende) treibt der Titelheld, Deutschlands bekanntester Schadensregulierer, Bürohengst und Intrigenspinner, dank der tatkräftigen Mithilfe von 300 000 investitionsfreudigen Fans, einer kommerziellen Produktionsfirma und reichlich unverfrorenem Product Placement durch Stromberg-affine Fernsehsender und ihre Werbekunden nun auch im Kino sein Unwesen.

Die peinliche Selbstinszenierung als vorbildlicher Chef, vor allem vor der Kamera einer fiktiven Dokumentarfilm-Crew, die die Sachbearbeiter begleitet, die Bürofehde mit Abteilungskollege »Ernie« Heisterkamp (»Tatortreiniger Bjarne I. Mädel), das Schäkern mit Kollegin Jennifer «Schirmchen» Schirmann (Milena Dreißig) und natürlich Strombergs soziale Ausrutscher sind ganz dieselben wie im Fernsehen. Zwei gute Stunden lang parliert Stromberg (Christoph Maria Herbst) sich erst um Kopf und Kragen bei den Vorgesetzten der Versicherungsgesellschaft, dann als unerwarteter Retter des Abends ans Mikrofon der Firmenjubiläumsfeier und dank des verbalen Ausverkaufs seiner Mitarbeiter schließlich sogar ans Steuer eines schicken Vorstandsflitzers.

Wer die Serie kennt, weiß, dass Strombergs Aufwind nicht lange währen wird, dass auf die Beförderung flugs die Strafversetzung folgen muss. Oder diesmal gleich der Rausschmiss - samt anschließender Parteikarriere. Denn als der Vorstand Stromberg wegen seiner spontanen Bereitschaft, seinen Mitarbeitern die anstehende Kündigung ohne weitere Belastung der Vorstandsebene schmackhaft zu machen, in die Bonzenvilla lädt, in der die Vorstandssause tobt - die sich von der braven, durch wenig mehr als Schunkelmusik, Kollegenhäme und reichlich Alkohol befeuerten Hauptversammlung lediglich durch Stuck an den Decken und viel exponiertes Fleisch beider Geschlechter auf Sesseln und Sofas unterscheidet -, wendet Stromberg sich mit Grausen ab.

Der Kleinbürger als Moralapostel: es passt zur Gesamtanlage von Film und Serie (Autor und Produzent: Ralf Husmann, nach der britischen Fernseh-Comedy «The Office»), dass hier mal wieder ein Kuchen gebacken wird, ohne dass dabei Eier zu Bruch gehen sollen. Denn einerseits wird Stromberg natürlich in all seiner spießigen Selbstüberschätzung und amoralischen Monstrosität entlarvt. Zugleich ist er aber als ikonische Figur das Kapital und damit immer auch der Held des Films. Ein schizophrenes Kalkül, das nicht aufgehen kann. Wenig zu lachen also.

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