Die Mühen der Evakuierung

In der umkämpften syrischen Stadt Homs haben es die humanitären Helfer weiter schwer

  • Karin Leukefeld, Homs
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit mehr als einem Jahr wird die Stadt Homs umkämpft und die Spuren des Krieges sind sichtbar. Inzwischen finden hin und wieder mühselige Evakuierungen und Hilfslieferungen statt.

Die Straße von Damaskus nach Homs ist wieder frei. Bei Qaboun, Harasta und Douma, wo vor wenigen Wochen noch erbitterte Gefechte zwischen den syrischen Streitkräften und Kampfverbänden tobten, fließt der Verkehr zügig über die Autobahn in Richtung Norden. Weil der zentrale Busbahnhof zerstört ist, sind die Überlandbusse am Rande der Autobahn wie an einer Schnur aufgereiht, Männer halten große Plakate in die Luft, auf denen zu lesen ist, wohin der Bus fährt, neben dem sie stehen: Deir Ezzor, Khamishly, Homs. Morgennebel liegt über den östlichen Vororten Qaboun und Harasta. Kein Stein scheint mehr auf dem anderen zu liegen - wo einst Millionen Menschen lebten, Handwerk und Handel blühte, breitet sich heute eine Ruinenlandschaft aus.

Nur wenige militärische Kontrollpunkte sind entlang der Autobahn nach Homs zu passieren, nach knapp eineinhalb Stunden ist die Stadt erreicht. Joseph, der Fahrer, ist häufig mit ausländischen Journalisten unterwegs und kennt einige Sicherheitskräfte persönlich. Ein Schreiben des Informationsministeriums erleichtert zusätzlich den Weg. »Informationsministerium, eine deutsche Journalistin«, sagt Joseph an einem Kontrollpunkt. Der Soldat lacht und antwortet: »Innenministerium, ein Wachhabender, gute Fahrt!«

Für diesen Tag, den 18. Februar, ist die Evakuierung von einer Gruppe älterer Christen aus der Altstadt von Homs geplant. In der vom Militär abgeriegelten Altstadt um den historischen Uhrenplatz warten Freiwillige der Shabab-Al-Khair-Gesellschaft, Journalistenteams und Fahrzeuge des Syrischen Arabischen Roten Halbmonds (SARC) auf ihren Einsatz. Doch dann wird die Evakuierung abgesagt, große Enttäuschung macht sich breit.

Obwohl die Kampfzone in der Altstadt von Homs nur wenige Hundert Meter entfernt liegt, müssen die Menschen, die dort heraus wollen, einen mehrere Kilometer langen Marsch auf sich nehmen. Die Evakuierungszone, die zwischen Talal al-Barazi, dem Gouverneur von Homs und den Kampfgruppen unter Vermittlung der Vereinten Nationen festgelegt worden ist, befindet sich weit von der Altstadt entfernt. Zweimal habe er versucht, mit seinen Töchtern und dem kranken Vater die Altstadt zu verlassen, erzählt der 44-jährige Witwer Farhan al-Najjar. Beim ersten Mal seien sie von den Kämpfern beschossen worden, die sie von der Flucht abhalten wollten. Beim zweiten Mal seien sie vier Stunden durch einen Abwassertunnel gelaufen, bis sie endlich aus der Kampfzone heraus waren. Al-Najjar blickt zu seinem Vater hinüber, dem Tränen über das Gesicht laufen.

Zuflucht hat die Familie vorerst im Al-Andalus-Zentrum gefunden. Das Schulgebäude nimmt die Menschen auf, die unter Vermittlung des UN-Botschafters in Syrien, Yacoub al-Hillou, aus der Altstadt von Homs evakuiert werden konnten. 1366 Zivilisten konnten vom Syrischen Arabischen Roten Halbmond und anderen Hilfsorganisationen versorgt worden, darunter 550 Männer im kampffähigen Alter (16-55). Wer keine Bleibe bei Verwandten hat, kann zunächst in diesem Zentrum bleiben, sagt der Leiter Mohammad Amar. Die 550 Männer werden befragt, ihre Aussagen überprüft und können dann gehen. Am 20. Februar tritt eine Amnestie für diese Männer in Kraft, die Präsident Baschar al-Assad verfügt hat.

Derzeit halten sich noch etwa 300 dieser Männer dort auf, darunter auch Mohammad Amar Abduldaim, ein ehemaliger Spieler beim Fußballteam Al-Karama in Homs. Er sei als Aktivist in die Altstadt von Homs gegangen, um mit seinen Internetkenntnissen zu helfen, erzählt der 25-Jährige ohne Scheu. Das Verhalten und Vorgehen der bewaffneten Gruppen aber habe ihn schockiert. Nun warte er darauf, dass seine Papiere geprüft würden und er wieder nach Hause gehen könne. »Vielleicht kann ich wieder bei Al-Karama spielen«, sagt er nachdenklich. Aber er wisse nicht, ob seine früheren Kollegen ihn wieder aufnehmen würden. Dann verabschiedet er sich und geht hinaus auf den Schulhof, wo in der Sonne Stühle aufgestellt sind und die Menschen in kleinen Gruppen zusammensitzen. Mitarbeiter der UNO laufen hin unter her, vor den beiden Containerbüros von UNICEF und UNO stehen Leute und warten.

Auf dem Rückweg führt der Weg über eine Brücke, von der aus die südwestlichen Stadtteile von Homs zu sehen sind. Eine breite Straße führt von dort nach Baba Amr, dem Viertel, wo vor zwei Jahren eine mörderische Schlacht tobte. Die Straße ist leer, ein militärischer Kontrollpunkt verhindert die Zufahrt. Niemand ist nach Baba Amr zurückgekehrt. Lange wird es dauern, bis die sichtbaren und unsichtbaren Kriegsschäden überwunden sein werden. Immerhin beginnt der nächste Tag mit einer guten Nachricht: Die Gruppe von Christen konnte am frühen Morgen aus der Altstadt von Homs evakuiert werden.

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