Das unsichtbare Risiko
Salzkonsum ist ein Gesundheitsrisiko / Nicht immer kann ein Verzicht den Blutdruck ausreichend senken
Je mehr Salz wir zu uns nehmen, desto mehr müssen wir trinken. Am besten einfaches Leitungswasser, kein Bier oder Wein, weil alkoholische Getränke entwässernd wirken und so den Durst am Ende noch verstärken.
Der britische Herz-Kreislauf-Spezialist Graham MacGregor hat schon vor einigen Jahren belegen können, dass Menschen deutlich mehr trinken müssen, wenn sie etwa doppelt soviel Salz zu sich nehmen, wie aus gesundheitlicher Sicht ratsam ist: Die Forscher hatten dazu die Harnmenge von Testpersonen, die täglich zehn Gramm Salz - eine heute im Durchschnitt leider übliche Menge - verspeisten, mit den Werten anderer Probanden verglichen, die nur fünf Gramm Natriumchlorid zu sich nahmen, wie es viele Ernährungswissenschaftler und die Weltgesundheitsorganisation empfehlen. Die erste Gruppe trank einen drittel Liter mehr Wasser als die salzarm lebenden Versuchsteilnehmer.
Solche Versuche gab es zuvor schon an Hunden, bei denen sich nach Auskunft des Innsbrucker Physiologen Peter Deetjen die Wasseraufnahme über die verabreichte Salzmenge ebenfalls exakt steuern und also vorhersagen ließ. Etwa 80 Prozent unserer täglich aufgenommenen Salzmenge stammt bereits aus Fertigprodukten oder von fremder Hand zubereiteter Nahrung, ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Wir haben die Kontrolle über unsere tägliche Salzaufnahme weitgehend abgegeben. Das ist schon deshalb heikel, weil sich der Mensch in Landschaften entwickelt hat, »in denen es an Natriumchlorid, also Kochsalz, mangelte«, wie Deetjen anmerkt.
Deshalb hat sich unsere Niere mit der Zeit so verändert, dass sie es schafft, das früher knappe und deshalb physiologisch wertvolle Natrium im Körper zurückzuhalten, statt es rasch über den Urin auszuscheiden. Obwohl gesunde Nieren es ebenfalls schaffen, dem Blut überschüssiges Kochsalz zu entziehen und aus dem Körper zu befördern, tut sich unser Körper mit der heute üblichen, vergleichsweise salzreichen Kost oft schwer. Dies gilt vor allem für salzsensitive Menschen, deren Blutdruck auf ein Zuviel an Kochsalz reagiert, indem er steigt - bisweilen auch bedenklich stark. In Mitteleuropa ist ungefähr die Hälfte der Menschen auf diese Weise empfindlich. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. »Jede Studie gibt ein etwas unterschiedliches Ergebnis«, sagt der Physiologe Hayo Castrop von der Universität Regensburg. Eine erbliche Komponente gilt als wahrscheinlich. »Vielleicht scheiden diese Menschen einfach immer etwas zu wenig Salz aus dem Blut über die Nieren aus, wodurch zum Ausgleich in den Gefäßen mehr Wasser verbleibt und damit auch der Blutdruck etwas erhöht ist«, vermutet Castrop. Kochsalzempfindliche Menschen sollten auf ihren Salzkonsum sehr achten. Zwar beeinflussen auch andere Salze als das aus der Küche bekannte Natrumchlorid den Blutdruck, doch Kochsalz ist das bei weitem wichtigste, blutdruckrelevante Salz.
Salzresistente Menschen mit gesunden Nieren hingegen müssen viel weniger auf ihren Salzverzehr achten. »Bei ihnen ist es egal, wie viel Salz sie essen, denn sie werden immer einfach die gleiche Menge über ihren Nieren wieder ausscheiden, ohne dass sich das Blutvolumen erhöht und damit auch der Blutdruck«, sagt Castrop. »Man isst also zum Beispiel eine Packung Kartoffelchips, nimmt dabei zwei Gramm Kochsalz auf, scheidet sie aber kurz danach über den Urin wieder aus, und nichts passiert.« Die Möglichkeit, über reduzierten Salzkonsum den Blutdruck zu senken, ist sehr beschränkt - bedauerlicherweise auch bei vielen jener Menschen, deren Blutdruck auf Salzkonsum veranlagungsbedingt reagiert - oder zumindest einmal gut reagiert hat. »Bluthochdruck besteht nämlich oft schon mehrere oder gar viele Jahre, so dass die Gefäße schon geschädigt sind und die Patienten deshalb womöglich nur noch sehr schwach auf weniger Kochsalz in der Nahrung ansprechen.« Und oft ist auch die Niere schon geschädigt, denn wer an einer Niereninsuffizienz leidet, hat meist auch einen zu hohen Druck in seinen Gefäßen. Umso wichtiger ist es, Bluthochdruck früh zu erkennen und dann mit einer angepassten Ernährung, ausreichend Bewegung, Entspannungsübungen und notfalls auch Medikamenten dagegen anzugehen.
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