Ohne die Edathy-Affäre bliebe wohl alles beim Alten
Rainer Becker fordert die Politik zu einer Verschärfung der Gesetzeslage im Kampf gegen den Handel mit Kinderpornografie auf
Als Konsequenz aus der Affäre um den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy werden öffentliche Forderungen nach strengeren Gesetzen gegen Kinderpornografie immer lauter. Dabei entsteht der Eindruck, dass der von den zuständigen Politikern zur Zeit an den Tag gelegte Aktionismus deswegen erfolgt, weil gegen einen relativ prominenten Mann ermittelt wird. Im Fall Edathy scheint es um »Posing-Fotos« zu gehen, deren Verbreitung, Erwerb und Besitz in der Bundesrepublik unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit liegt. Das ist nur schwer nachzuvollziehen, sollten doch Möglichkeiten für Pädophile, sich an grenzwertigen Fotos oder Filmen zu erregen, so weit wie möglich beschränkt werden. Denn alleine durch das Betrachten strafloser Nacktfotos von Kindern kann bei Pädophilen das Verlangen nach »mehr« gesteigert werden.
Vor rund sechs Jahren einigte sich die damalige Bundesregierung darauf, dass ein EU-Rahmenbeschluss von 2003 in Deutschland nicht in vollem Umfang umgesetzt wird - mit dem Ergebnis der nun beklagten Gesetzeslücke. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat nun angekündigt, diese Lücke schließen zu wollen. Der Handel mit Nacktfotos von Kindern soll prinzipiell unter Strafe gestellt werden.
Auch wenn dieser Schritt spät erfolgt, ist er grundsätzlich zu befürworten. Bedauerlicherweise bedurfte es hierfür erst die Vorwürfe gegen Edathy; ohne sie bliebe vermutlich alles beim Alten.
Pädophilie ist eine sexuelle Störung. Schätzungen von Wissenschaftlern zufolge leidet etwa ein Prozent der Deutschen darunter - vor allem Männer. Pädophil zu sein, bedeutet allerdings nicht, dass jemand sich auf Grund dieser Neigung zwangsläufig an Kindern vergeht. Etliche Betroffene kämpfen ihr Leben lang dagegen, übergriffig zu werden, viele von ihnen mit Erfolg. Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, Pädophilen Hilfe anzubieten, statt ihre Veranlagung zu verteufeln. Die »Behandlungsinitiative Opferschutz« in Baden-Württemberg oder das Präventionsnetzwerk »Kein Täter werden« der Berliner Charité sind Beispiele für derartige Hilfsangebote.
Jedoch braucht es nach meiner Überzeugung unabhängig von mehr Prävention und unabhängig vom Fall Edathy eine Verschärfung der gegenwärtigen Gesetzeslage. Es führt kein Weg daran vorbei, das Strafmaß für den Konsum von kinderpornografischem Material angemessen zu erhöhen. Für mich ist nur sehr schwer verständlich, dass für einen Ladendiebstahl bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug verhängt werden können, während der Konsum von Kinderpornografie nur mit bis zu zwei Jahren bestraft wird. Kinderpornografie zeigt, wie Minderjährige vor laufender Kamera missbraucht oder vergewaltigt werden. Wer sich so etwas ansieht, hat in seiner Fantasie zumindest einen Teilnehmerwillen. Ein unangemessen geringes Strafmaß macht betroffene Kinder allein schon dadurch ein zweites Mal zu Opfern.
Weiterhin bedarf es Präzisierungen in der Strafprozessordnung des Bundes und in den Gefahrenabwehrgesetzen der Länder. Das ist deshalb notwendig, weil der Einsatz von verdeckten Ermittlern in einer professionell abgeschotteten Pädophilenszene derzeit so gut wie unmöglich ist.
Und schließlich müssen die Behörden Daten auf Vorrat speichern dürfen. Mir ist durchaus bewusst, dass nicht zuletzt die Massenausspähung der National Security Agency in Deutschland Vorbehalte gegen die Vorratsdatenspeicherung bei Teilen der Bevölkerung noch verstärkt hat. Die Aktivitäten des US-Geheimdienstes sind inakzeptabel; sie jedoch als Rechtfertigung dafür anzuführen, dass künftig jede Form von Datenerhebung und -speicherung ausgeschlossen werden muss, spielt den Händlern von Kinderpornografie in die Hände. Die Vorratsdatenspeicherung macht es möglich, dass rückwirkend gegen diese Leute ermittelt werden kann - bei Vorliegen eines konkreten Missbrauchsverdachts. Die Speicherung ist dabei auf einen Zeitraum von maximal sechs Monaten zu befristen und muss einer strengen richterlichen Kontrolle unterliegen.
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