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Grottig und grandios

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn man betrachtet, was vorige Woche medial vor sich ging, als Facebook für den Maildienst WhatsApp mit seinen 50 Angestellten aberwitzige 19 Milliarden Dollar zahlte und die verwerflichsten Winterspiele seit Garmisch 1936 zu Ende gingen, dürfte selbst dem privaten Stammpublikum klar werden, wo die öffentlich-rechtliche Kernkompetenz liegt: in der Nachrichtenlage. So gesehen waren die blutigen Tage der Ukraine wunderbare für ARD und ZDF.

Besonders das Erste liefert seit der Eskalation vorbildliche Arbeit mit einer Seriosität und Bildgewalt aus Kiew, dass jeder »Brennpunkt« zum Paradebeispiel informativen Niveaus wird. Mit einem Gesicht zudem, das zum echten News-Star taugt: Golineh Atai. So eloquent wie kundig steht die ARD-Korrespondentin Tag für Tag auf einem Hoteldach und schildert in schusssicherer Weste, was auf dem umkämpften Maidan unter ihr passiert. Das ist Journalismus vom Feinsten - von dem sich der zu Christian Wulff ein Scheibchen abschneiden könnte. So falsch es war, während der Skandalphase ohne Gnade auf dem Expräsidenten einzuprügeln, so falsch ist es vorm Urteil am Donnerstag, ihn ohne Zweifel freizusprechen, nur weil es die Gesetzeslage tut. Das Rechtsempfinden lässt ja doch mehr als 753,90 Euro Oktoberfestzuschuss an einem Mann kleben, dessen Kleinmut so präsidial war wie ein Landrat beim Bau überflüssiger Umgehungsstraßen durch die Firma des Bruders.

Wie man diese Haltung fiktionalisiert, bringt morgen ein Schauspieler zum Ausdruck, von dem es wohl kaum jemand erwartet hätte: Kai Wiesinger. Im Sat1-Drama »Der Rücktritt« spielt er Christian Wulff so furios zwischen Larmoyanz, Selbstbetrug und Trotz, dass es schon jetzt zum Besten zählt, was der Privatfunk 2014 bereithalten dürfte. Grandios. Grottig dagegen ist heute »Die Flut ist pünktlich«. Mit Darstellern von Jürgen Vogel über Ina Weisse bis zu August Zirner ist der Nordseekrimi zwar exzellent besetzt, aber so öde, dass all die Naturaufnahmen bloß einschläfern. Also in etwa das tun, was die närrische Zeit liefert, hagelte es dabei nicht ständig donnernde Tuschs. Die holen kommandofröhliche Zuschauer ab heute Abend für Abend aus dem Fernsehsekundenschlaf, gekrönt vom unsäglichen »Mainz bleibt Mainz« am Tag nach der größten aller Maskeraden, dem »Wiener Opernball«, Donnerstag ab neun auf 3sat.

Wer’s mag … mag heute ab 21.15 Uhr auch den selbstverliebten Steffen Henssler als Ersatz für den uneitlen »Restauranttester« Christian Rach bei RTL. Oder Til Schweiger als Gottschalks Klassentreffkandidat der Woche auf gleichem Kanal (Freitag). Wer’s mag, mag aber höchstwahrscheinlich weniger: Die morgige Arte-Doku »Versenktes Gift« über verklappte Chemiewaffen. Oder tags drauf, ebenfalls Arte, das moderne Märchen »Baikonur« über einen Kasachen, der sich in eine abgestürzte Kosmonautin verliebt. Das ist ebenso großartig wie die Tipps der Woche: Mittwoch, halb elf auf Servus TV: »The Man Who Wasn’t There« von den Coen-Brüdern. Und »Mary Poppins«, Donnerstag (Disney).

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