Fast der halbe Fernsehturm
Der neue »Estrel Tower« soll mit 175 Metern Neukölln überragen
»Wenn man vis-à-vis vom bestehenden Hotel so ein großes Grundstück zur Verfügung hat, kommen einen einfach solche Ideen.« Ekkehard Streletzki, der Eigentümer des Estrel-Hotels an der Sonnenallee in Neukölln, ist noch sichtlich beeindruckt vom Siegerentwurf des städtebaulichen und hochbaulichen Wettbewerbs zur Erweiterung des Hotelgeländes mit dem Estrel Tower. »Dass er so gewaltig wird, kann ich selber noch nicht so fassen«, ergänzt Streletzki zum mit 15 000 Euro prämierten Siegerentwurf des Büros Barkow Leibinger, das schon den Büroturm des französischen Kraftstoffunternehmens Total am Berliner Hauptbahnhof entwarf.
Die Ausmaße der geplanten Erweiterung des jetzt schon größten Hotels Berlins sind beachtlich: Neben einem 55 Meter hohen Büroturm mit zwölf Geschossen soll auf einem heute noch brachliegenden Grundstück an der westlichen Seite der Sonnenallee direkt am Neuköllner Schifffahrtskanal das höchste nicht-technische Gebäude der Hauptstadt entstehen. 814 zusätzliche Gästezimmer sollen Platz in 46 Geschossen finden, die Spitze des Turms liegt bei 175 Metern. Daneben sollen neue Ausstellungs- und Veranstaltungshallen mit 13 500 Quadratmetern Fläche sowie ein immerhin noch 31 Meter hohes, sechsgeschossiges Parkhaus entstehen.
Parkhaus und Büroturm erscheinen zum Hotelturm winzig, so wie die gesamte unmittelbare Neuköllner Umgebung, der Turm wird als Solitär hinausragen. Und Wirkung auf das gesamte Stadtbild haben. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher vergleicht ihn mit dem Fernsehturm: Den könne man auch aus den unterschiedlichsten und teilweise unerwartetsten Ecken der ganzen Stadt sehen. »Dieser Turm hat eine gesamtstädtische Ausstrahlung. Das ist auch so gewollt an dieser Schnittstelle zwischen Innenstadt und äußerer Stadt. Mit dem bestehenden Hotelgebäude zusammen bildet er eine Torsituation an der Einfahrt zur Innenstadt.« Als Teil eines Hochhausplanes für Berlin will Lüscher den Entwurf aber nicht verstanden wissen, obwohl er den bisher höchsten geplanten Neubau am Alexanderplatz um 25 Meter überragen wird. »An anderen Standorten, die ähnliche Lagebedingungen aufweisen, kann ich mir aber auch Hochhäuser vorstellen«, blickt Lüscher voraus.
Bis zum Ende des Jahres soll das Baurecht für das Grundstück geschaffen werden, dazu muss der Bebauungsplan geändert werden, der bisher nur Gebäude bis 75 Meter Höhe ermöglicht. »Für Neukölln kann ich nur sagen: Das Baurecht wird nicht das Hindernis sein.« Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zeigt sich ebenfalls angetan von der neuen Landmarke in seinem Bezirk. »Wir freuen uns, dass es sie vor zwanzig Jahren neben einen Schrotthändler an die Sonnenallee verschlagen hat. Jetzt sieht man, der Bezirk entwickelt sich und nicht nur im Reuterkiez oder Kreuzkölln.« Und die neue Autobahn direkt hinter dem Hotel gelegen, scheint ihm als Verkehrsanbindung ebenso angemessen: »Das Hotel ist ja keine Frühstückspension.« Eher eine Hotelmaschine, zu der in Zukunft eine Autobahnabfahrt fast direkt in die Lobby führt.
Über die konkrete Bauzeit und Kosten des Projekts wollte Streletzki nach Ende des Ideenwettbewerbs noch keine Angaben machen, die Finanzierung des Komplexes müsse noch geklärt werden und der Bau werde sicher auch mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen. Estrel-Geschäftsführer Thomas Brückner drückt jedoch aufs Tempo: An der Ziegrastraße entstehen gerade auf 10 000 Quadratmetern weitere Veranstaltungs- und Konferenzflächen, bis Ende 2015 unter anderem eine Halle für bis zu 4500 Personen: »Und dann brauchen wir die zusätzlichen Zimmer«, so Brückner. Die Verbindung zwischen dem alten und neuen Gebäudekomplex soll unter der Sonnenallee hindurch hergestellt werden, dafür wurden vom Hotel Flächen der Industriebahn Berlin erworben.
Der Expansionsdrang des Hotels wird damit vorerst ans Ende kommen. Auf die eigentlich an Lüscher gerichtete Frage, ob denn noch mehr Hochhäuser dort in Neukölln in Hotelnähe geplant seien, antwortet an ihrer Stelle Streletzki: »Von meiner Seite nicht.«
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