Per Mausklick zum eigenen Beet
Der Leipziger Richard Hagedorn will Großstädter für das ökologische Gärtnern begeistern
Ein Acker in Liebertwolkwitz, einem ländlichen Leipziger Ortsteil. Hier hat Richard Hagedorn 3,5 Hektar mit Teich gekauft, die er gerade einzäunen lässt. »In den nächsten Tagen beginne ich mit der Gestaltung des Geländes«, sagt er. Entstehen sollen zunächst 75 Beete. Etwa 40 Kulturen schweben dem Existenzgründer vor, darunter Kohl, Kartoffeln und Mohrrüben.
Es gibt zwei Varianten: Entweder stellt Hagedorn nur Saatgut oder Setzlinge, und die gärtnernden Großstädter kümmern sich um alles weitere selbst. Oder er legt selbst das Beet an, gießt und jätet - und die Pächter müssen nur noch ernten. Für Selbstzupfer kostet der Quadratmeter vier Euro, für Nur-Ernter sind es acht Euro. Dazu kommen noch die Kosten für die Pflanzen.
Damit sich das Projekt lohnt, müssen möglichst alle 75 Parzellen in den nächsten ein, zwei Jahren Pächter finden. Läuft es gut, ist eine Erweiterung der Fläche möglich. Platz gibt es an der Großpösnaer Straße genug. Geplant sind jetzt schon ein Gewächshaus, ein Erdbeer- und ein Schnittblumenfeld und eine Kompostanlage.
Zusätzlich können Leute, die die Idee des gemeinsamen ökologischen Gärtnerns gut finden, über eine Crowdfunding-Plattform im Internet Geld investieren und bekommen ein attraktives Dankeschön. Auch Kleinstbeträge sind möglich.
Eigentlich ist Hagedorn Student des Bauingenieurwesens in Dresden. Das Gärtnerische hat er sich selbst beigebracht. Wegen der Existenzgründung lässt er sein Studium gerade ruhen. Im Winter, wenn bei seinem »Ernte mich«-Projekt wenig los ist, will er seine Diplomarbeit schreiben. »Mir ist wichtig, eine abgeschlossene Ausbildung zu haben und einen Beruf«, sagt er.
Schon als Kind und Jugendlicher hat er sich für das Gärtnern begeistert und »viel ausprobiert«, wie er sagt. Seine Eltern haben selbst ein Grundstück mit Garten. Die Familie seines Großonkels im heimischen Großräschen in Brandenburg besitzt zudem eine Gärtnerei. Dort hat Hagedorn viel Zeit verbracht. In den letzten Jahren konnte er seine Freude am Gärtnern nur auf dem Dresdner Balkon ausleben, wo unter anderem Tomaten und Salatgurken gediehen. Finanziert hat der Neu-Leipziger sein Projekt bisher vor allem mit der Hilfe seiner Familie. Freunde, Eltern, Geschwister und Freundin helfen, wo sie können. So ist gerade Mitstudent Sebastian Brabant vor Ort in Liebertwolkwitz. Zusammen beginnen sie das Areal in der Großpösnaer Straße zu gestalten. Bisher ist nur Acker zu sehen, ein Schild weist auf das Projekt hin. »Es war schwierig, ein geeignetes Grundstück zu einem akzeptablen Preis zu bekommen«, sagt Hagedorn. Im März soll ein Onlineshop in Betrieb gehen, über den der Jungunternehmer Obst und Gemüse auch verkaufen will. Die Kunden finden auf der Seite eine Übersicht aller Obst- und Gemüsesorten, sie können die gewünschte Größe des Beetes und was darauf gedeihen soll, selbst festlegen. Hagedorn ist wichtig, dass der Anbau ökologisch und nachhaltig ist. Keine Pestizide. So will er Vogelhäuschen zwischen den Beeten und an den Obstbäumen anbringen. Vögel ernähren sich von Insekten und halten Schädlinge fern.
Zielgruppe des Vorhabens sind Großstädter, die keinen eigenen Kleingarten mit all seinen Verpflichtungen wollen, aber dennoch Spaß am Gärtnern haben. Auf zwei bis drei Stunden pro Woche veranschlagt der »Ernte mich«-Betreiber den zeitlichen Aufwand für die künftigen städtischen Nutzer. Ob sie dabei lieber alleine wirtschaften wollen oder mit anderen, bleibt ihnen überlassen.
Ganz allein ist Existenzgründer Hagedorn mit seiner Idee zwar nicht. Mit »Meine Ernte«, »Ackerhelden« und »Bauerngarten« existieren in Deutschland bereits einige Projekte, die in eine ähnliche Richtung gehen wie die Leipziger Teilzeit-Beete. Doch im Detail ist das Konzept von »Ernte mich« neu. Und sein Erfinder glaubt fest an dessen Erfolg.
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