Karnevalsoverkill

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Maren Müller macht also ernst. Mit Gleichgesinnten will die Initiatorin der Online-Petition gegen Markus Lanz den Verein »Ständige Publikumskonferenz für die öffentlich-rechtlichen Medien« gründen. Und wie wichtig der wird, zeigt ein Brief, mit dem ZDF-Programmchef Thomas Bellut zusichert, ihre Kritik ernstzunehmen. Das hätte man sich freilich auch von seinem ARD-Kollegen Volker Herres gewünscht. Denn was dieser Tage vom Gehaltsgefüge seines Senders publik wurde, könnte genau in Müllers Zuständigkeitsbereich fallen: Günther Jauchs plumpe Talkshow nämlich kostet offenbar das Dreifache dessen, was Herres in die seriöse Sandra Maischberger investiert.

Und dann rechtfertigt das Erste den Preis von Jauchs Dampfplauderei auch noch mit »publizistischer Relevanz«. Weil sich dieser Gummibegriff also offenbar an der Rezeption orientiert, geht der Oscar publizistischer Relevanz 2014 an - den Oscar selbst. Vor wenigen Stunden wurde er wieder vor einem Milliardenpublikum verliehen, was Pro7 seit Mitternacht überträgt und seit 8.20 Uhr in voller Länge wiederholt. Mehr gibt es im Privatfunk übrigens diese Woche nicht zu empfehlen. Zumal Christian Rach am Donnerstag wieder im ZDF auftischt, statt beim Rivalen RTL.

Doch wer braucht Feinde, wenn er Freunde hat wie Nick Tschiller. Auch der 2. Fall des »Tatort«-Haudraufs erinnert bei aller optischen Brillanz an »Cobra 11«, nur mit mehr Leichen. Die sind »schwer zu zählen«, wie Til Schweigers grandioser Assistent Fahri Yardim einräumt. Dennoch rät er zur Gelassenheit: »Wir sind weder eine Polizeidokumentation noch naturalistisches Erzählkino.« Da ARD wie ZDF beides aber doch besser zu Gesicht steht, raten wir weder zum Karnevalsoverkill am Montag noch zur 13. Staffel von »Um Himmels Willen« (Dienstag), sondern empfehlen die »Stunde des Bösen«. Die vierteilige Reihe junger Regisseure startet am Montag mit »Der zweite Mann« erst kurz vor Mitternacht im Zweiten. Anna Loos liefert als »Helen Dorn« ab Samstag an gleicher Stelle eher biedere Krimikost. Wirklich spannende Sachen laufen also bei Spartenkanälen wie Arte.

Zum Beispiel am Dienstag die Montage »Homs« aus 300 Stunden Material syrischer Filmemacher in der Frontstadt des Bürgerkriegs. Oder tags drauf ein koreanischer Themenabend, angefangen mit der erschütternden Dokumentation »Camp 14« über nördliche Arbeitslager, fortgesetzt mit dem südlichen Klassiker »Das Hausmädchen«, erst das Remake von 2010, dann das 50 Jahre ältere Original. Samstag gibt es dann noch den sehenswerten Schwerpunkt »Starke Frauen«. Und dann wäre da noch die belgische Krimiserie »Code 37«, ab Mittwoch um 22.30 Uhr bei ZDFneo. Und damit zurück zum Sport und die Eröffnung der Paralympics am Freitag im Zweiten, dem das Erste abends zuvor (20.15 Uhr) die tolle Doku »Gold« über drei behinderte Sportler voranschickt. Bleibt noch der »Tipp der Woche«, diesmal: »Herr Ober!«, Gerhard Polts brillante Medienschelte von 1991, am Montag um 22 Uhr im BR.

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