»Dein Bier« in der Wahlkabine
Eine interaktive Ausstellung zwischen Kunst und soziologischem Experiment
Die junge Frau tritt ein wenig wie ein strenge Psychologin auf, die klar die Testbedingungen vorgibt. Diese aber sind eigentlich recht simpel, der Raum mit der Wahlkabine muss so wieder verlassen werden, wie vorgefunden, ansonsten darf man, ausgenommen rauchen, so gut wie alles tun.
Auch eine Belohnung gibt es: In der Wahlkabine kann ein gut schmeckendes Bier gezapft werden. Kunst und Experiment bilden in »Das ist dein Bier - ein interaktives Einsehen« eine Einheit.
Gemeinsam mit dem »relaisbuero berlin« inszeniert der ansonsten in London lebende Soziologe Oliver Kohlmann eine interaktive einwöchige Ausstellung in der Torstraße, in der die Wahlkabine »als hölzernes Symbol für die Konfrontation mit der Entscheidungsfreiheit« genommen wird. Raum und Kabine werden dabei als »Skulptur« betrachtet, die auf das Thema Manipulation hinweist. Jeder, der mitmacht, wird gefilmt, am Ende der Ausstellung soll dazu eine DVD erscheinen.
Wie lange bleibt man im Raum mit der Wahlkabine und was tut man dort? Sich hinsetzen, stehen bleiben oder herumlaufen, ein, zwei oder gar drei Bier trinken und dabei vielleicht eine Zeitung lesen, an den Zapfhähnen herumspielen, Grimassen schneiden.
Das ist einem völlig selbst überlassen. Wirklich? Oder folgt man innerlich dem Drang, dass etwas richtig ist oder falsch? Gehorcht man seinen inneren Kommentaren, die zu einer Verhaltenskette führen? So dient die »Skulptur Wahlkabine« auch dem Zweck, in sich hineinzuhorchen und zu fragen, was man in dieser Situation automatisch für sich ausschließt. Oliver Kohlmann hat diese Ausstellung vor dem Hintergrund der Debatte um Willensfreiheit inszeniert. Wie beeinflusst das Wollen, und welche Rolle spielt der Zufall? Eng hängt die Diskussion um Willensfreiheit mit der Vorstellung von Kausalität zusammen, weil Handlungen durch vorangegangene Handlungen bestimmt werden können.
Der Soziologe setzt auf Einsicht in seelische Prozesse, »zu sich zu kommen« fordert deshalb Oliver Kohlmann. Das Subjekt wird dabei als handelnde und sinnerfahrende Instanz gesehen. Andere Positionen beschreiben den Menschen als bestimmt von Umgebungen. Denn unterschiedliche Umwelteinwirkungen würden sich im Zusammenspiel mit den genetischen Anlagen in der Vernetzung des Gehirns widerspiegeln und Denken und Verhalten bestimmen. In dieser Sicht ist das »Ich« so etwas wie eine variable Konstruktion, keine feste und dauerhafte Größe.
Bisher ist jede Annahme eines freien Willens genauso wie jede Annahme des Ge...
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