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Schreck Nachlass!

Das Land ist überfordert, wenn ihm Sammlungen und Künstlernachlässe geschenkt werden

  • Wilfried Neiße
und Sybille Gurack
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Land Brandenburg ist ein miserabler Nachlassverwalter, denn für die angemessene Betreuung privater Schenkungen fehlt es ihm an Geld, Personal und Archivräumen.

Die Malerin Renate Niethammer feiert heute ihren 101. Geburtstag. Sie lebt mittlerweile in der Nähe ihres Sohnes in einem Pflegeheim in Nordrhein-Westfalen. Einst leitete Niethammer Malzirkel im Kulturhaus Schwermaschinenbau Wildau und im Berliner Werk für Fernsehelektronik. Sie stellte in der Nationalgalerie aus und schuf das Triptychon an der Kirchenwand von Selchow. In Kolberg bei Storkow lebte sie lange in ihrem Ateliershäuschen und fuhr von dort mit dem Motorrad zu ihren Terminen. Noch gibt es keine Stiftung, die sich des Nachlasses der Malerin annehmen will. Renate Niethammer möchte, dass ihre Bilder für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben.

Eine Schenkung privater Sammlungen und Nachlässe ist dem Staat keineswegs immer willkommen. »Die Kunstmuseen verfügen weder über die Mittel noch über die Archivflächen, um die Vielzahl privater Nachlässe zu betreuen«, antwortete Kulturministerin Sabine Kunst (für SPD) auf eine parlamentarische Anfrage. »Daher können sie nur an der Überlassung von Einzelstücken oder allenfalls an Werkgruppen, aber selten an Gesamtnachlässen interessiert sein.«

Zudem werfe der Umgang mit privaten Kunstnachlässen komplizierte juristische und urheberrechtliche Fragen auf. Das Kulturministerium beschränkt sich deswegen auf die Unterstützung »bedeutender Einzelfälle«. Im Rahmen der Projektförderung seien Einzelfallentscheidungen dann gefallen, wenn an der Aufarbeitung eines Nachlasses ein erhebliches Landesinteresse bestand. Sabine Kunst nannte Ausstellungen, die »die Kriterien der kulturpolitischen Strategie des Landes erfüllen«.

Unberührt bleibe davon die Erfassung und Sicherung der Nachlässe und Sammlungen national bedeutsamer Künstler, die ihren Lebensmittelpunkt in Brandenburg hatten. Als Beispiel führte die Ministerin das Schriftstellerehepaar Eva und Erwin Strittmatter an. Mit dem Nachlass von Künstlern wie den Strittmatters befasse sich das Archiv der Akademie der Künste.

Eine Umfrage bei anderen Bundesländern habe gezeigt, dass die meisten keine Förderprogramme zur Aufarbeitung von privaten Kunstnachlässen der bildenden Kunst besitzen. »Einzig das Saarland strebt eine institutionelle Förderung unter dem Dach der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz an«, erklärte Kunst.

Derzeit werden bundesweit unterschiedliche Strategien für den Umgang mit Künstlernachlässen geprüft. Als Beispiel nannte die Kulturministerin das Symposium »Kulturgut in Gefahr! Zukunftsfähige Konzepte für Künstlernachlässe«, das im September in Hamburg stattfand. Eine Frage sei, ob das Bewahren des künstlerisch-kulturellen Erbes Aufgabe der öffentlichen Hand ist oder Privatangelegenheit. Eine andere Frage sei, was Kunstschaffende zum Erhalt ihres künstlerischen Erbes beitragen sollten. Generelle Antworten seien bei dem Symposium nicht gefunden worden.

Es sollte aber mit den Künstlern gesprochen werden, um eine Archivlösung in ihrem Interesse zu finden, heißt es. In Hamburg existiere ein Verein Forum für Künstlernachlässe, in dem Wissenschaftler, Museumsmitarbeiter, Künstler, Sammler und Erben von Nachlässen mitwirken. Eine ähnliche Einrichtung gebe es in Pulheim bei Köln. Dem Land Brandenburg fehle etwas Vergleichbares.

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