Jeder Pfiff zur rechten Zeit

Manchmal braucht es falsche Pfiffe. Am Wembley-Tor zum Beispiel können sich noch Generationen deutscher und englischer Experten abarbeiten. Dieser Tage wird über Referee Iwanow gestritten: Hätte er alles anders machen müssen, gleich Rot in der achten Minute, viel mehr mit den Fingerspitzen und so weiter. Verlogen, denke ich: Es sind immer noch die Fußballer, die treten, schlagen, meckern. Iwanow hätte irgendwann sehr allein sein können auf dem Platz, hätte er alle Kleinigkeiten geahndet. Stattdessen gab es immerhin ein Spiel, das so bald keiner vergisst. Manchmal sehnt man Fehlentscheidungen des Schiedsrichters sogar herbei. Am Montagabend beispielsweise in Köln, so etwa in der 70. Minute bei Schweiz gegen Ukraine, hätte ich jeden Strafstoß sehr begrüßt, auch einen ungerechtfertigten. Tore fallen hier nicht mehr, dachte ich gerade so für mich, als der füllige holländische Kollege auf dem Nachbarsitz einnickte, was ich daran merkte, dass sein Oberkörper gegen meinen sackte. Oh nein: Schlimm genug, dass ein derart lahmes Spiel wegen Unfähigkeit zum Toreschießen auf eine Verlängerung zuplätschert. Und nun sitze ich hier mit diesem Kollegen Seit an Seit. Demnächst würde er zu schnarchen beginnen, ich ahnte es. Doch ich wollte höflich bleiben, schließlich hatte er mir vor dem Spiel seine englischen Sportzeitungen geborgt. Ich brauchte jetzt andere Hilfe: Schiri, bitte, jetzt einen Elfmeter geben! Spiel entschieden, Nachbar geweckt, egal ob nach Schwalbe oder Foul. Nichts passierte. An ein Tor war an diesem Tag nicht zu denken. Der Holländer erwachte dennoch bald mit einem kurzen Atemaussetzer - ohne falschen Pfiff des Schiris. Glück gehabt. Aber nur Glück im Unglück. Der lahme Kick dauerte noch eine Stunde an. Und mein Elfer-Gebet wurde erst nach langen 120 Minuten erhört: Elfmeterschießen: Sieben Schützen liefen an, nur drei trafen, am Ende jubelten die Ukrainer, vorbei. Und der einzige Pfiff, der unzweifelhaft blieb und der diesem Spiel so unglaublic...

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