EU-Sanktionen gegen Russland beschlossen / USA setzen ranghohe russische Vertreter auf Sanktionsliste

Krim-Parlament führt Rubel als zweite offizielle Währung ein / Russland will keinen neuen Kalten Krieg / Deutschland erkennt Krim-Referendum nicht an

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. In der schweren politischen Krise um die Ukraine hat die EU Sanktionen gegen Russland beschlossen. Die EU-Außenminister einigten sich am Montag in Brüssel auf eine Liste von 21 Personen, gegen die Einreiseverbote verhängt und deren Konten gesperrt werden, berichteten Diplomaten. Nähere Details wurden zunächst nicht bekannt.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sprach zu Beginn des Treffens vom »stärkstmöglichen Signal« an Russland: »Und das Signal ist, dass wir sicherstellen wollen, dass sie (die Russen) den Ernst der Lage erkennen.« Die EU bezeichnet die Volksabstimmung auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim vom Sonntag über einen Anschluss an Russland als illegal und völkerrechtswidrig.

Umfassende Wirtschaftssanktionen könnten bereits am Donnerstag bei einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf der Tagesordnung stehen. Die EU hat sie für den Fall einer weiteren Destabilisierung der Ukraine durch Russland angedroht.

USA setzen ranghohe russische Vertreter auf Sanktionsliste

Die Regierung in Washington blockierte am Montag das US-Vermögen von sieben ranghohen russischen Regierungsvertretern und Parlamentariern, darunter der stellvertretende Ministerpräsident Dmitri Rogosin. Außerdem wurden der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und der von Kiew nicht anerkannte Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow auf die Sanktionsliste gesetzt.

Deutschland erkennt Krim-Referendum nicht an

Die Bundesregierung hat die Abstimmung auf der ukrainischen Halbinsel Krim zur Angliederung an Russland als unrechtmäßig verurteilt. Deutschland erkenne das Ergebnis nicht an, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Die Bürger auf der Krim hätten auf dem Stimmzettel nicht die Möglichkeit gehabt, für den Status quo zu votieren. Und das Referendum habe unter dem Eindruck illegaler Präsenz russischer Truppen stattgefunden. »Die Bundesregierung ist weiter in großer Sorge«, betonte er. Kanzlerin Angela Merkel habe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ihre klare Haltung in einem Telefongespräch noch einmal übermittelt.

Krim-Parlament führt Rubel als zweite offizielle Währung ein

Nach dem Referendum über die Zugehörigkeit zu Russland hat das Krim-Parlament den Rubel als zweite offizielle Währung auf der ukrainischen Halbinsel eingeführt. Der russische Rubel werde parallel neben der ukrainischen Währung Hrywnja als Zahlungsmittel akzeptiert, erklärte das Parlament am Montag. Die ukrainische Währung könne noch bis zum 1. Januar 2016 benutzt werden.

Russland will keinen neuen Kalten Krieg

Russland hat nach den Worten des Gesandten der russischen Botschaft in Berlin kein Interesse an einer offenen Konfrontation mit dem Westen. »Wir sind gegen den Kalten Krieg, da entstünde großer Schaden für ganz Europa und die Welt«, sagte Oleg Krasnizkij am Montag im »Deutschlandfunk«. Russland sei ein Mitglied der internationalen Gemeinschaft. Die von der EU wegen des Konflikts um die Krim angedrohten Sanktionen würden in Russland als kontraproduktiv für die Suche nach einer politischen Lösung der Krise in der Ukraine gesehen, sagte Krasnizkij. Die EU, die USA und Russland müssten im Gespräch bleiben und weiter nach einer diplomatischen Lösung suchen.

EU berät Sanktionen Russland

Nach der Volksabstimmung über einen Anschluss der Krim an Russland wollen die EU-Außenminister am Montagvormittag in Brüssel Sanktionen gegen Russland beraten. Geplant sind Einreiseverbote und Kontensperrungen für Personen, die direkt für die russische Militäraktion in der Ukraine verantwortlich sind. Bei dem Referendum stimmten nach Angaben der Wahlleitung aus der Nacht zum Montag nach Auszählung von 75 Prozent der Stimmen etwa 95,7 Prozent für einen Anschluss. Die Beteiligung lag bei etwa 82 Prozent.

Der Westen kritisiert die Volksbefragung auf der Halbinsel als völkerrechtswidrig. Weder die Ex-Sowjetrepublik Ukraine noch der Westen erkennen das Ergebnis an. Die EU und die USA verurteilten den Volksentscheid als eklatanten Bruch des Völkerrechts. Hingegen hatte Russland erklärt, den »Wunsch der Krim-Bevölkerung zu respektieren«. In einem Telefonat mit seinem US-Präsident Barack Obama verwies der russische Präsident Wladimir Putin auf das freie Recht der Menschen zur Selbstbestimmung. Nach Angaben der Regierung in Moskau betonte Putin zudem, die neue ukrainische Führung tue nichts gegen »ultranationalistische und radikale Gruppierungen, die die Lage destabilisieren und friedliche Bürger terrorisieren«.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), hat sich derweil für harte Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. »Weder der russische Einmarsch auf der Krim noch das Referendum sind rechtskonform. Das kann man keinesfalls akzeptieren«, sagte Brok der »Passauer Neuen Presse«. Er forderte »eine Reaktion, die Russland schmerzt«.

Russland sei in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, es lebe fast nur von Öl- und Gasverkäufen. Brok: »Wenn der Kreml auch weiter nicht zu Gesprächen bereit ist, muss es weitere Sanktionen geben, die uns natürlich auch selbst treffen würden.« Der CDU-Politiker schloss Wirtschaftssanktionen nicht aus. »Kurzfristiges Gewinndenken kann langfristig unsere Chancen auf eine freiheitliche Entwicklung in Europa gefährden. Wir müssen auch in Deutschland bereit sein, dafür Opfer auf uns zu nehmen.«

Obama bekräftigte, dass die USA und die internationale Gemeinschaft die Abstimmung auf der Krim niemals anerkennen werden. Die Abstimmung verletze die Verfassung der Ukraine und habe unter Druck einer russischen Militärintervention stattgefunden, sagte Obama nach Angaben des Weißen Hauses. Er signalisierte weitere Sanktionsschritte in Zusammenarbeit mit der EU. Eine diplomatische Lösung sei nicht möglich, solange russische Truppen weiter auf ukrainischem Gebiet stünden.

Kurz nach dem Referendum kündigte die moskautreue Krim-Führung für diesen Montag eine Sondierungsreise nach Russland an. »Eine Delegation wird in Moskau den Prozess eines Beitritts zu Russland besprechen«, teilte Regierungschef Sergej Aksjonow in Simferopol mit. In der Stadt bejubelten Tausende Menschen den nun möglichen Beitritt der Krim zur Russischen Föderation. Der zentrale Leninplatz war in ein Meer aus russischen Fahnen und Krim-Flaggen gehüllt.

China will sich nicht zur Rechtmäßigkeit der Volksabstimmung auf der Krim für einen Anschluss an Russland äußern. Vizeaußenminister Li Baodong wich am Montag in Peking auf einer Pressekonferenz zum bevorstehenden Besuch von Staats- und Parteichef Xi Jinping in Europa zweimal der Frage aus, ob China die Legalität des Referendums und sein Ergebnis anerkenne. »Wir hoffen, dass alle Seiten einen kühlen Kopf bewahren und eine politische Lösung suchen«, sagte Li Baodong auch auf Nachfrage lediglich. Eine weitere Eskalation müsse vermieden werden. »Dialog ist der einzige Ausweg.« Agenturen/nd

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