Nobelpreis für Heuchelei

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: ca. 1.0 Min.
Upps! Der Krug geht solange zu Wasser, bis er bricht. . Jahrelang schwebte das Damoklesschwert des Dopingverdachts über Jan Ullrich. Spätestens seit der Sperre und der Kündigung 2002 durch sein Team Telekom schien sich der Tourde-France-Sieger von 1997 damit häuslich eingerichtet zu haben. Nun ist er, neben vielen andreren, wieder einmal aus dem Verkehr gezogen. Allerdings gebührt der gesamten Profiradsportgemeinde - Funktionären über Teamleitungen bis hin zu Sportreportern und Fans - der Heuchelei-Nobelpreis für ihr aktuelles Gesamtkunstwerk unter der Überschrift »Entsetzen über den Dopingskandal«. Seit Jahren werden, ausgenommen witziger Weise Lance Armstrong (USA), die Weltbesten rudelweise der Einnahme aller möglichen Substanzen überführt und für kurze Zeit gesperrt. 1998 waren beim bis gestern größten Tour-Skandal neun Fahrer sogar während der Rundfahrt verhaftet worden. Auch der fünffache Toursieger Eddy Merckx (Belgien) griff zu Pille und Spritze. Ganz »ohne«, so Merckx, sei eine große Tour eben nicht zu gewinnen. Ebenso ahnten die meisten Fans, obwohl sie es gern verdrängen, was Ex-Profis wie Sportmediziner seit langem bestätigen. Und dennoch wurde und wird den betrügerischen Göttern der Tour wie Helden zugejubelt. Letztlich ist also auch jeder Fan an der Situation schuld. Denn ohne Fans keine Einschaltquoten, ohne Fans keine hohen Auflagen und Werbemillionen. Profit ist der Grund, warum die Verantwortlichen nicht endlich einen harten Schnitt machen. Im Profisport ist es nicht anders als mit den TV-Seifenopern. Solange die Quote stimmt, wird gnadenlos fortgesetzt. Der Spuk käme erst zum Ende, wenn sich das Publikum mit Grausen abwendet...

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