Ronaldo, Ronaldinho & Co. ausgestochen

Frankreich wirft satte Brasilianer hoch verdient aus dem Turnier / Zinedine Zidane mit überragender Leistung

  • Matthias Koch, Frankfurt (Main)
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Punkt 0.25 Uhr verließ der Bus der brasilianischen Nationalmannschaft am frühen Sonntag das Frankfurter WM-Stadion. An Bord hatte er jede Menge frustrierte Stars, die vom Schock des vorzeitigen Ausscheidens gegen Frankreich gezeichnet waren.
Selbst Barcelonas Supermann Ronaldinho, der in keinem seiner fünf WM-Spiele zu der erwarteten Form fand, war beim Spießrutenlauf durch die Mixedzone das Lächeln vergangen. »Unsere gesamte Delegation war nicht darauf vorbereitet, vor dem Endspiel nach Hause zu fahren«, erklärte der erstaunlich ruhig wirkende brasilianische Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira in der Pressekonferenz.
Brasilien ist dennoch raus, und im Nachhinein ist ein hartes Urteil über den fünffachen Weltmeister zu fällen. Die überalterten und satt wirkenden Südamerikaner haben das Turnier nur durch ihre Anhänger bereichert, von denen viele nach der 0:1-Niederlage gegen die Franzosen bittere Tränen vergossen.
Die Experten haben sich gefragt, wie Brasilien in einem entscheidenden Spiel auf einen Rückstand reagieren würde. Gar nicht, müsste die Antwort eigentlich lauten. Natürlich drückten sie nach dem 0:1-Rückstand durch Thierry Henry (57.), der einen Freistoß von Zinedine Zidane mit der Innenseite unter die Latte befördert hatte, auf den Ausgleich. Doch der unverständlicherweise erst sehr spät eingewechselte Robinho (81.) sowie Ronaldo (85., 90.), Lucio (87.), Ronaldinho (88./Freistoß) und Ze Roberto (90.) fehlte unter Zeitdruck die Ruhe für den in die Verlängerung rettenden Ausgleich.
Den hätten die Brasilianer auch nicht verdient, weil die Franzosen mit einer taktischen Meisterleistung Ronaldo, Kaka und dem als zweite Sturmspitze fast verschenkten Ronaldinho kaum Raum zur Entfaltung ließen. Noch bevor die bärenstarke Innenverteidigung mit Lilian Thuram und William Gallas eingreifen musste, wurden Pummelchen Ronaldo und Stirnbandträger Ronaldinho im Mittelfeld von Claude Makelele und Patrick Vieira massiv beim Versuch gestört, ein Offensivspiel aufzubauen.
Entscheidenden Anteil am französischen Sieg besaß jedoch Zinedine Zidane, dessen Körpersprache von der ersten Minute an verdeutlichte, das Karriereende auf jeden Fall um eine Woche aufschieben zu wollen. Der 34-Jährige erhielt Szenenapplaus im halben Dutzend, wenn er bei dieser WM anfänglich so schmerzlich vermisste technische Raffinessen aufblitzen ließ. Kein Zweifel: In Frankfurt (Main) war jener überragende Zidane zu sehen, wie die Fans ihn von den französischen Turniersiegen bei der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich und der Europameisterschaft 2000 in den Niederlanden und Belgien kannten.
»Mein Ziel war es von Beginn an, das Finale am 9. Juli in Berlin zu erreichen. Daran hat sich nichts geändert. Die Leistungssteigerung von Zidane überrascht mich nicht. Er wird von Spiel zu Spiel besser«, meinte Frankreichs umstrittener Trainer Raymond Domenech mit einem diebischen Lächeln. Dessen Elf hätte durch Frank Ribery gar noch das 2:0 markieren können (71.). Doch auch so reichte es zum umjubelten Prestigesieg in der Neuauflage des WM-Finales von 1998. »Ich denke, noch ist es zu früh, um zu sagen, was gefehlt hat und was nicht gefehlt hat«, meinte der enttäuschte Ronaldinho.
Zinedine Zidane genoss den Sieg übrigens ähnlich wie DFB-Keeper Jens Lehmann. Er ging - während Trainer und Betreuer ein Ehrenspalier bildeten - als erster Franzose vom Platz. Zidane sagte in der Pressekonferenz zu seiner Leistung kein Wort, zu der er neben den Trainern als »man of the match« erscheinen musste. Zidane nahm die Auszeichnung entgegen, gab einigen Journalisten Autogramme und verschwand.
Mal sehen, ob er nach einem möglichen Finaleinzug beim Sieg gegen Portugal am Mittwoch in München gesprächiger ist.

Brasilien: Dida - Cafú (76. Cicinho), Lucio, Juan, Roberto Carlos - Kaká (79. Robinho), Gilberto Silva, Juninho (63. Adriano), Zé Roberto - Ronaldinho, Ronaldo.
Frankreich: Barthez - Sagnol, Thuram, Gallas, Abidal - Vieira, Makelele - Ribéry (77. Govou), Zidane, Malouda (81. Wiltord) - Henry (86. Saha).
Tor: 0:1 Henry (57.). SR: Medina Can...

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